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Archiv-Artikel

Zögerliche Braut nervt düpierten Bräutigam

Wowereit ist sichtlich genervt, dass der brandenburgische Schlingerkurs bei der Länderehe ein rot-rotes Kernprojekt blockiert. Im Abgeordnetenhaus reagiert er pampig auf Anfragen und fordert ein klares Bekenntnis Brandenburgs

Klaus Wowereit ist äußerlich schon mal weit gelassener mit dem langsamen Sterben der Länderfusion umgegangen als gestern im Abgeordnetenhaus. Man könnte auch sagen: Der Schlingerkurs seines brandenburgischen Amtskollegen und SPD-Freundes Matthias Platzeck scheint den Regierenden Bürgermeister sichtlich zu nerven. Teils einsilbig, teils pampig reagierte Wowereit gestern im Parlament auf Anfragen der Opposition zum Thema. Zugleich forderte er, dass sich Brandenburg zur Fusion bekennt. Bei Platzeck zeigte man sich davon wenig beeindruckt und bekräftigte Zweifel am Fusionsfahrplan.

Nach dem bisherigen, im Koalitionsvertrag von SPD und PDS festgeschriebenem Zeitplan soll es 2006 eine Volksabstimmung geben, 2009 die Fusion selbst. Jüngst hatte PDS-Landeschef Stefan Liebich wegen der ablehnenden Stimmung in Brandenburg eine Verschiebung gefordert.

Wie Wowereit zu solchen Überlegungen stehe, wollte der Abgeordnete Sonning Augstin (FDP) wissen, nach möglichen Fehlern in der Vorbereitung fragte Michael Cramer (Grüne). Wowereits kompakte Antworten: „Ablehnend“ und „Nein“.

Mehr mochte er erst auf Nachfrage zu jenem Projekt sagen, das als eins der zentralen der rot-roten Koalition gilt. Als Cramer Konkretes zu Bemühungen des Senats forderte, raunzte Wowereit: „Heben Sie sich Ihre Sprüche auf für das Europaparlament, da werden Sie ja voraussichtlich hinkommen.“ Cramer hatte zuvor Wowereit vorgeworfen, aus der Fusionsdiskussion eine Karnevalsveranstaltung zu machen. Üblicherweise aber reagiert Wowereit auf so etwas deutlich souveräner.

Richtung Potsdam und Platzecks Staatskanzlei forderte Wowereit eine klare Positionierung. Platzeck hatte kurz vor Weihnachten Zweifel am seit Jahren verabredeten Zeitplan geäußert, ohne endgültig abzusagen. Eine klare Entscheidung hat es seither von ihm nicht gegeben – merklich mit Blick auf die Landtagswahl am 13. September.

Das änderte sich auch gestern nicht. Vize-Regierungssprecher Manfred Füger verwies auf Brandenburger Ängste vor den Berliner Schulden. „Entscheidend für die Akzeptanz ist die Klärung der finanziellen Rahmenbedingungen“, sagte Füger der taz. „Und davon sind wir zurzeit entfernt.“ Gegenwärtig gebe es keine Mehrheit für eine Fusion. Ein erster Versuch war 1996 gescheitert. Füger: „Es wäre unverantwortlich, offen in eine zweite Niederlage zu laufen.“

In der Abgeordnetenhaussitzung fand Wowereit übrigens schnell Gelegenheit zur Beruhigung: Patiencenartig legte er Autogrammkarten vor sich aus, ordnete sie penibel und unterschrieb. Zumindest die Fusion von Stift und Papier klappte.

STEFAN ALBERTI