: Tiefschwarzer Blues im deutschen Lager
Die U 21-Auswahl des DFB scheidet nach dem 1:2 gegen Portugal in der Vorrunde der Europameisterschaft aus und darf nicht zu den Olympischen Spielen. Trainer Uli Stielike muss sich nun für seltsame Wechselspiele rechtfertigen
MAINZ taz ■ „I wish that for just one time you could stand inside my shoes and just for that one moment I could be you“, krächzt Bob Dylan in Positively 4th Street. Für einen ganzen langen Tag Ulrich Stielike sein, das wäre dann doch des Guten zu viel. Aber für ein paar Minuten die Gedanken des knorrigen DFB-Trainers zu kennen, darauf könnte man sich einlassen. Am besten in den Minuten, nach denen er zuvor mit seinem Assistenten Horst Hrubesch noch einmal alles hat Paroli laufen lassen und dann doch alles ganz anders macht. Seine Eigenwilligkeit und die oft kaum nachvollziehbaren Personalentscheidungen brachten dem ehemaligen Nationalspieler den wenig schmeichelhaften Beinamen „Kauz aus Ketsch“. Dieser Tage bei der U 21-EM im eigenen Land lieferte Stielike ein Lehrstück seiner Kunst, die sehr eigene Sicht der Dinge zu pflegen.
Diesmal ging alles grandios in die Hose. Der Traum ist aus! Nach dem 1:2 gegen Portugal im letzten Vorrundenspiel in Mainz ist die deutsche Equipe ausgeschieden. Ausgeträumt der Traum vom Titel und der Teilnahme an den Olympischen Spielen in Athen. Der Blues war tiefschwarz im deutschen Lager.
Dabei hatte alles so gut begonnen letzten Freitag am selben Ort mit einer paukenden Polka und einem 2:1 über die Schweiz. Aber Stielikes Taktik des „Bolzplatz-Sozialismus“ (SZ) mündete nur 48 Stunden später in Mannheim in ein 1:2 gegen Schweden. Auf neun Positionen veränderte Stielike da seine siegreiche Elf. Die Überlegung, Kräfte zu schonen, stand dahinter. Aber gleich neun Wechsel auf einen Streich? „Ich bin ein Talentförderer und kein Talentbremser“, echauffierte sich Stielike nach kritischen Fragen. Und: „Hätten wir mit derselben Mannschaft wie gegen die Schweiz gespielt, hätten wir 4:0 verloren.“
Auf Kritik reagierte der Weisweiler-Schüler schon immer dünnhäutig. Aber das? Die zweite Antwort war rein spekulativ, und auch bei der ersten irrte Stielike. Spielpraxis besitzen alle Akteure reichlich in dieser hoffnungsvollsten U 21-Auswahl seit Jahren. Bei dieser EM ging es nicht darum, Talenten Spielpraxis zu geben, sondern den maximalen Erfolg zu haben. Nicht undenkbar allerdings, dass sich mancher Bundesligamanager die Hände reibt, weil er nun im August keine Spieler abstellen muss für Athen.
Am Mittwoch aber fuhr der Bus des ernüchterten deutschen Trosses nach Alzey, von wo aus gestern der Auszug aus dem feinen Schlosshotel nicht nach Bochum zum Halbfinale stattfand, sondern für die meisten in den Urlaub. Nur Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski eilten zur A-Mannschaft. Ihre erste Reaktion war noch vom Mainzer K.o. überschattet. „Ich brauch erst mal zwei Tage, um das Aus zu verkraften“, (Schweinsteiger). „Ich wäre gerne noch länger bei der U 21 geblieben“ (Podolski).
Uli Stielike warf seinen Spielern derweil vor, „die Hosen voll gehabt zu haben“. Ein Remis gegen Portugal hätte zum Weiterkommen gereicht. Wieder auf sechs Positionen wechselte Stielike durch. „Ich habe jetzt das beste Team auf dem Platz“, meinte er vor dem Spiel. Die erregte Diskussion über seine Turniertaktik muss sich Stielike nun gefallen lassen. „Ich klebe nicht an meinem Stuhl“, schloss er einen Rücktritt nicht aus, und eine große Portion Resignation drang durch, als er hinzufügte: „Ich fühle mich wohl im Jugendbereich, die U 21 dagegen ist sehr professionell.“
Dem Prediger der absoluten Professionalität zu professionell? Aus dieser Aussage liest man den Frust des gescheiterten Trainers. Stielike weiß, dass er als Klubtrainer nicht mehr vermittelbar ist. Dies hat er mit seiner verfehlten Taktik und amateurhaften Krisenpolitik noch einmal unterstrichen. Schon vor der EM meinte der 49-Jährige sinngemäß in einem Interview: Ein Klubpräsident, der ihm gefiele, den müsse er sich selbst backen. The Times They Are A-Changing – Uli Stielike ändert sich nicht mehr. Dieser Tage aber hat er ein paar Mal zu oft ausgewechselt.
TOBIAS SCHÄCHTER