: Der Kanzler setzt auf heiße Luft
Und Wasser. Und Erdwärme. Erneuerbare Energien sollen Abhängigkeit vom Erdöl brechen. Umweltschützer hoffen, dass Schröders Rede Taten folgen
AUS BONN NICK REIMER
Es war der Tag der großen Reden. Und im Prinzip war ihr Prinzip gleich. „Wir haben gar keine andere Chance“, erklärte Nigers Ministerpräsident Hama Amadou. „Wir müssen jetzt wirklich konkret werden“, forderte Klaus Töpfer, Chef des UN-Umweltprogramms. Für den per Video zugeschalteten Premier Tony Blair ist es „höchste Zeit, dass etwas passiert“. Und bei EU-Umweltkommissarin Margot Wallström muss „deutlich mehr geschehen als bisher“.
Und dann spricht Bundeskanzler Gerhard Schröder, bei dem das Prinzip so klingt: „Es ist höchste Zeit, dass wir unseren Worten und Absichtserklärungen Taten folgen lassen.“ Um es vorwegzunehmen: Der Kanzler machte Ernst. Im Stakkato formuliert er eine Energiepolitik, die den Visionen des grünen Regierungspartners zur Ehre gereicht hätte. Der grüne Fraktionsvize Reinhard Loske: „Hätte Schröder so etwas auch nur annähernd bei den Verhandlungen zum nationalen Kohlendioxid-Handel gesagt, wäre ihm schwere Parteinahme zugunsten des grünen Umweltministers vorgeworfen worden.“
„Der Kanzler hat genau jene Argumente benutzt, die wir seit Jahren predigen“, sagt die BUND-Chefin Angelika Zahrnt. „Der effiziente Einsatz der Energieträger und der Ausbau erneuerbarer Energien sind die Doppelstrategie für weltweit nachhaltige Energieversorgung“, erklärte Schröder. Zukünftig würden erfolgreiche Volkswirtschaften danach beurteilt, wie diese Doppelstrategie beherzigt wird. Und: Erneuerbare Energie sei der Beleg dafür, dass es keinen Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie gibt – sondern eine Einheit.
„Seit dieser Rede ist die Klima- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik offiziell eine Einheit, in der regenerative Energien eine entscheidende Rolle spielen“, lobt Sven Teske, Energieexperte von Greenpeace. Zwar sei es wichtig, Terrornetze und ihre Finanzströme aufzuspüren und trocken zu legen, erklärte der Kanzler. Zugleich aber zeige die Abhängigkeit vom Öl die Verwundbarkeit der Welt. „Erneuerbare Energie dezentral nutzbar zu machen, ist also auch ein Gebot der Sicherheit in unserer Welt.“
„Der Kanzler hat die Gutachterpolitik seines Wirtschaftsministers deutlich zurückgepfiffen“, lobt Johannes Lackmann, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie. Clement habe im letzten Vierteljahr immer wieder versucht, den erneuerbaren Energien negative Effekte für die Volkswirtschaft gutachterlich zu unterlegen. Schröder erklärte jetzt: „120.000 Menschen sind bereits heute in Deutschland in diesem Bereich tätig, jährlich werden rund 6 Milliarden Euro investiert. Ein beachtenswerter Wirtschaftszweig ist entstanden. Einer, der wächst. Und unser Land braucht dieses Wachstum.“ Vielleicht, so Lackmann, würde jetzt das Wirtschaftsministerium aufhören, alles „schlechtzugutachtern“.
„Schröder hört die Signale“, lobt Jennifer Morgan, Leiterin der WWF-Delegation. So bezeichnete der Kanzler die Parlamentarierkonferenz als „wichtigen Impuls“. Das Treffen von 350 Parlamentariern aus 80 Ländern hatte am Tag zuvor die Einrichtung von „Irene“ – einer Internationalen Energie-Agentur – gefordert, gemäß dem Vorbild der Internationalen Atomenergie-Agentur – und nach Schröders Rede diesen aufgefordert, das Projekt international voran zu bringen.
„Es war von allen die deutlich verbindlichste Rede“, lobt Reinhard Loske. So habe der Kanzler 500 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Bereits auf der Mutter aller Energiekonferenzen, 2002 im südafrikanischen Johannesburg, hatte Schröder 1 Milliarde Euro bis 2010 zugesagt. Unmittelbar vor dem Bundeskanzler hatte auch die Weltbank in Sachen Förderung regenerativer Energien nachgelegt. Aber Grund zum Jubeln besteht hier keiner: Zwar hatte Peter Woicke, der Geschäftsführende Direktor der Weltbank, gesagt, dass sein Institut die Ausgaben für Energiegewinnung aus Sonne, Wind, Wasser und Biomasse fünf Jahre lang um jeweils 20 Prozent erhöhen will. Diese Steigerung aber fällt mit insgesamt 200 Millionen Dollar wesentlich geringer aus, als von einem Beratergremium der Bank gefordert. Unter dem Titel „Extractive Industries Review“ (EIR) empfahl die Kommission, bis 2008 aus der Förderung von fossilen Energien auszusteigen und stattdessen nur noch auf regenerative Energien zu setzen. Derzeit investiert die Weltbank 94 Prozent ihrer Energiemittel in fossile Energien, nur 6 Prozent in erneuerbare.
Auf der Bonner Konferenz begeisterte man sich daher nicht für die Weltbank, sondern für den deutschen Bundeskanzler. „Für Schröder eine revolutionäre Rede“, urteilt Helmut Röscheisen, Chef des Deutschen Naturschutzrings. Nur Lob? Allenthalben? Nicht ganz. „Man kann nicht gleichzeitig vor und zurück“, sagt Angelika Zahrnt. Zur deutschen Steinkohlesubvention habe sich Schröder nämlich ausgeschwiegen. „Es ist ja schön, von Energieeffizienz zu reden. Man muss den Deutschen aber auch sagen, dass sie ihren Benzinverbrauch in den nächsten Jahren dafür halbieren müssen“, sagt Röscheisen. Und für Sven Teske ist „eine gute Rede das eine, der in der praktischen Politik aber auch Taten folgen müssen“. Da war es wieder, das Prinzip des Tages.