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Archiv-Artikel

Launige Debatten-Kirmes im SO 36

Ist Israel bald so groß wie Kreuzberg? – Verwirrende Diskussion über Mosche Zuckermanns neues Buch

Mosche Zuckermann, Leiter des Instituts für Deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv, ist ein Publikumsmagnet. Zum einen, weil sein Thema Israel ist. Zum anderen, weil er ein Linker ist. Sein neues Buch „Zweierlei Israel“, erschienen im konkret-Verlag, könnte ein Renner werden. Weil es um Israel geht. Und weil Hermann Gremliza mit von der Partie ist. Der Chefkommentator der Szene belebt fortwährend die Diskussion um Palästina und Antisemitismus. Er sitzt mit auf der Bühne des SO 36 und leitet Zuckermanns Referat ein.

Schon eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn standen Grüppchen vor dem Eingang in der Oranienstraße. Nicht alle begehrten Einlass – vielen reichten Bier und die Atmosphäre drum herum. Mit fünf Euro Eintritt haben die Veranstalter auch dafür sorgen wollen, mögliche Störer vom Besuch abzuhalten. Dessen Feststellung, für Frieden sei die Räumung der besetzten Gebiete unabdingbar, animierte eine junge Frau im Israel-Shirt schon recht bald zu lautem Geschrei. Ihr lautstarker Vorwurf – Israel sei dann „nur noch so groß wie Kreuzberg“ – rief schallendes Gelächter hervor. Die Sicht auf die knapp 400 Zuhörer im dunklen Saal war offenbar so schlecht, dass Zuckermann sie aufforderte, doch mal vorzukommen, er „höre immer nur quäkige Stimmen!“

Fünf Euro Eintritt hielten Störer jedenfalls nicht fern. Dabei ist die Position der Podiumsmitglieder ausgesprochen abgewogen. Zuckermann erntete für seine Aussage „Israel ist eine Errungenschaft“ ebenso viel Beifall wie für die Ergänzung, „damit geht die palästinensische Katastrophe einher“. Sachlich erklärt er die Situation im Nahen Osten und will sich „nicht auf die Schattenkämpfe hier“ konzentrieren. Das nehmen diejenigen, deren Geschäft Schattenkämpfe sind, natürlich sehr ernst. Philosoph Peter Sloterdijk hingegen kam, hörte und ging sogleich wieder. Schließlich melden sich selbst ernannte Antideutsche, um Israel vor antisemitischen Angriffen der propalästinensischen Linken und deren „israelischen Kronzeugen“ zu schützen. Bedauerte Gremliza eingangs noch „den unseligen Wettlauf, „wer der Radikalste ist“, so ließ dieser nicht lange auf sich warten. Auf der Oranienstraße sammelt die Israel-Shirt-Trägerin beim Kneipenpublikum noch Unterschriften für Friedman. Die Resonanz ist gering.

HANNES HEINE