reagan/bush : Geteilte Gefolgschaft
Ronald Reagan, der die republikanische Partei in der jüngeren Vergangenheit wie kein anderer prägte, gilt als Vorbild für den amtierenden Präsidenten George W. Bush. Vor allem Bushs missionarischer Eifer, seine moralisch getriebene Nahostpolitik, sein Mantra von Steuersenkung und Deregulierung scheinen eine direkte Verlängerung der Reagan-Ära. Während sich Reagan jedoch im entscheidenen Moment zum Realpolitiker wandelte, innenpolitisch das Haushaltsdefizit zu verringern suchte und außenpolitisch den Fall der Sowjetunion beschleunigte, steht Bush erst am Anfang einer pragmatischen Politik.
KOMMENTAR VON MICHAEL STRECK
In den kommenden Wochen werden wir den Präsidenten bei dem Versuch erleben, seine katastrophale Irakpolitik zu rechtfertigten, indem er Parallelen zum beliebten Vorgänger zieht. Reagan eignet sich dafür vortrefflich. Wie dieser wird Bush sich als Kämpfer gegen die Tyrannei präsentieren, der trotz aller Rückschläge an den Sieg der Freiheit glaubt. Seine Botschaft: So wie auch damals schließlich die Mauer fiel, wird in Bagdad und im Nahen Osten Demokratie Einzug halten. Er wird seine Kritiker als Kleinkrämerseelen bezeichnen und mit Reagans Optimismus werben.
Bushs Rhetorik und das Verhalten seiner Regierung im Hinblick auf den Irak sind jedoch mittlerweile zwei paar Schuhe. In Kernfragen der Besetzung haben sie sich von ihren hochfliegenden Plänen längst verabschiedet und gehen vor Ort und im Umgang mit der internationalen Staatengemeinschaft pragmatisch vor. Bushs Häutungsprozess vom Ideologen zum Realpolitiker könnte am Ende sogar schneller vollzogen werden als bei Reagan. Ob dies reicht, den Irak zu einer Erfolgsgeschichte zu machen und im Antiterrorkampf zu obsiegen, ist fraglich. Die Lage ist heute komplizierter als damals: Reagan hatte es mit einem Staat als Gegner zu tun. Heute ist der Feind ein amorphes Terrornetz, das nicht durch Raketen und Konfrontation in die Knie zu zwingen ist.
Innenpolitisch hingegen hat sich Bush zu mehr Pragmatismus noch nicht durchgerungen. Er propagiert weiterhin Steuersenkungen trotz der explodierenden Ausgaben für Verteidigung und Heimatschutz. Das Haushaltsdefizit treibt er somit auf Rekordhöhen wie einst sein politischer Lehrer. Um die Staatskasse zu sanieren und die Wirtschaft wieder flottzumachen, bedurfte es nach Reagan jedenfalls eines Demokraten.