Viel Zeit fürs Schwärmen zwischen Hölzchen

Cricketspieler schwärmen für ihren Sport. Auch wenn die Regeln für Außenstehende kaum verständlicher sind als das Urdu der meist aus Pakistan oder Indien stammenden Spieler. Klar ist am Ende nur: Nach sechsstündigem Spiel hat der Stranglers Cricket Club den Asian Cricket Club deutlich geschlagen

„Cricket ist mit 10 Millionen Spielern die zweitpopulärste Sportart der Welt“

von ANDREAS RÜTTENAUER

Er steht am Spielfeldrand und redet. Er redet stundenlang. Das Bundesligaspiel des Asian Cricket Club Berlin gegen den Stragglers Cricket Club dauert schon drei Stunden und es ist noch nicht einmal die Hälfte der Spielzeit vorbei. Rupert Lavington ist nicht zu bremsen. Und er hat nur ein Thema: Cricket.

Die Sportart ist eine langwierige Angelegenheit. Und während des Spiels gibt es für die, die nicht auf dem Feld sind, viel Zeit, sich zu unterhalten. Über Cricket. Lavington ist der Präsident der Stragglers und so etwas wie der Mister Cricket in Berlin. Zudem ist er Sportwart des Deutschen Cricket Bundes und betreut den Nachwuchs seines Vereins. Auf den ist er besonders stolz. Denn einige Jugendnationalspieler hat er schon hervorgebracht.

Lavington ist ein Schwärmer. Er schwärmt von seiner Leidenschaft. Cricket sei mit keiner anderen Sportart zu vergleichen, weil die Kombination aus Konzentration, Taktik und Athletik einmalig sei. „Cricket ist mit 10 Millionen Spielern die zweitpopulärste Sportart der Welt“, verkündet er stolz. Seit 30 Jahren lebt der Brite mit karibischen Wurzeln in Deutschland, mehr als 20 Jahre davon kümmert er sich um die Cricketszene in Berlin. Doch müde wirkt er nicht. „Wir müssen an die Schulen gehen. Wenn die jungen Leute sich früher mit den Regeln beschäftigen, dann wird sich der Sport rasch ausbreiten.“

Die Regeln. Sie sind in der Tat alles andere als leicht nachzuvollziehen. Während bei klassischen Ballspielen die gegnerischen Mannschaften auf dem Feld das gleiche Ziel verfolgen, nämlich ein Tor zu erzielen, stehen beim Cricket zwei Spieler der einen Mannschaft, die darauf aus sind, Punkte zu erzielen, elf Spielern gegenüber, deren Ziel es ist, möglichst wenig Punkte zuzulassen, die aber selbst nicht punkten können.

Punkte gibt es, wenn den zwei Batsmen – denen mit den Schlägern – ein Run gelingt, wenn sie also den vom Gegner geworfenen Ball so abgelenkt haben, dass sie zwischen den Wickets hin und her laufen können. Wicket? Das ist jene Konstruktion aus drei senkrechten Holzstiften, auf denen waagerecht zwei kleine Scheite liegen. Gelingt es einem Spieler der verteidigenden Mannschaft, das Wicket mit dem Ball so zu treffen, dass die Scheite zu Boden fallen, während die Batsmen noch unterwegs sind, so scheidet derjenige, der den Ball geschlagen hat, aus.

Vier Punkte werden notiert, wenn der Ball so geschlagen wird, dass er die Spielfeldbegrenzung überschreitet, sechs Punkte, wenn er außerhalb des Spielfeldes landet, ohne zuvor im Spielfeld aufgekommen zu sein. Darüber hinaus gibt es noch so genannte Extrapunkte, für die es wiederum einen eigenen Regelkatalog gibt. Puuh!

Wichtig sind noch die Festlegungen, die die Spieldauer betreffen. Der Internationale Cricketverband hat festgelegt, dass ein Spiel über zwei Innings geht, die aus jeweils 50 Overs bestehen. Ein Inning ist also vorbei, wenn eine Mannschaft 50-mal 6 Bälle auf die Batsmen des anderen Teams geworfen hat. Danach ist die andere Mannschaft mit Schlagen an der Reihe. Es kann dauern, bis es zum Wechsel kommt.

Am Samstag werden die Rollen nach mehr als vier Stunden getauscht. Dann wird es erst einmal richtig laut. Das Spiel wird diskutiert. Wer allerdings kein Urdu versteht, kann den Unterhaltungen nicht folgen. Denn die meisten Spieler beider Teams kommen aus Pakistan oder Indien, wo Cricket zu den populärsten Sportarten gehört.

Auch Rupert Lavington zieht Zwischenbilanz: „Das ist aber langweilig.“ Damit meint er allerdings weder die Spieldauer noch das oftmals wenig dynamisch wirkende Spielgeschehen insgesamt, sondern die Überlegenheit seiner Mannschaft. Auch Sammi Beg, der Starting Batsman der Stragglers, ist enttäuscht vom Auftreten der Gegner: „Das müssen wir als Trainingsspiel sehen.“

Beg ist einer der Leistungsträger seines Teams. 31 Punkte hat er geholt. Genug, um der Mannschaft ausreichend Rückenwind für die Partie zu geben. Dennoch ist Beg geknickt, unzufrieden. Nicht nur über sein Spiel. Er meint, es werde viel zu wenig unternommen, um Cricket populärer zu machen.

In einem Schuppen am Spielfeldrand zeigt er auf einen Karton mit Werbepostkarten für „Cricket in Berlin“. „Das müsste dann eben auch verteilt werden“, meint Sammi Beg, der ebenso für seinen Sport zu schwärmen weiß wie Lavington. Als 17-Jähriger habe er in Indien einst vor einer großen Karriere gestanden, erzählt er. Eine Verletzung habe ihn damals gestoppt. Jetzt sei er nur noch Freizeitspieler. Dennoch: An ihm kann man sehen, dass ein guter Cricketspieler trotz aller Trägheit des Spiels über Athletik und Ausdauer verfügen muss.

Die Stragglers haben ihre Gegner vom Asian Cricket Club Berlin am Ende klar mit 360:87 geschlagen. Sechseinhalb Stunden hat die Begegnung gedauert. Und auch die Spieler, die sich nicht viel bewegen mussten, sind ziemlich geschlaucht.