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Archiv-Artikel

Aktion „Mondlicht“ vor Gericht

Zwei Polizisten aus Thüringen sollen beim Gasteinsatz in Hamburg Kollegen verprügelt haben. Heute urteilen die Richter inder Hansestadt über den Fall. Die Erfurter Landesregierung baut schon mal vor – und droht mit dem Entzug der Amtshilfe

aus Hamburg ELKE SPANNER

Das Thüringer Innenministerium hat bereits Konsequenzen aus dem Prozess gezogen, ehe ein Urteil gesprochen worden ist. Der Leiter der Polizeiabteilung will prüfen, „ob wir unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch bereit sind, zukünftig unsere Kollegen in Hamburg zu unterstützen“. Ministeriumssprecher Fried Dahmen weiß, dass bei künftigen Amtshilfeersuchen der Hamburger Polizei „dieser Fall eine Rolle spielen wird“.

Die Thüringer Behörden hadern mit der Hamburger Justiz. Sie hat drei Erfurter Polizisten vor Gericht gestellt, die im vorigen November bei einer Demonstration in der Hansestadt aushalfen – und dabei zwei schleswig-holsteinische Kollegen in Zivil verprügelt haben sollen. Heute will das Hamburger Amtsgericht sein Urteil verkünden.

Es gibt kaum Zweifel, dass die Hamburger Richter die drei Polizisten aus Thüringen verurteilen werden. Die Angeklagten sind von ihren Kollegen aus Schleswig-Holstein schwer belastet worden. Die hatten berichtet, dass sie noch von Schlagstöcken malträtiert wurden, als sie längst zu Boden gegangen waren. Dabei half es ihnen nach eigenen Angaben auch nicht, dass sie den Kollegen mehrfach des vereinbarte Kodewort „Mondlicht“ zuriefen. Die Angeklagten aber bestreiten die Tat. Sollten sie kein Geständnis ablegen, droht eine Freiheitsstrafe von mehr als zwölf Monaten. In diesem Fall wäre es mit der Polizistenlaufbahn vorbei.

Erst durch einen entsprechenden Hinweis des Richters sind die drei unter Druck geraten. Denn die Thüringer Polizeiführung nahm sie trotz der schweren Vorwürfe bislang bedingungslos in Schutz. Würde das Trio eingestehen, vermeintliche Demonstranten willkürlich verprügelt zu haben, könnten die Vorgesetzten diese Linie nicht mehr rechtfertigen. Schon als die verletzten Hamburger Zivilpolizisten nach den Namen der Peiniger fahndeten, mauerten deren Vorgesetzte in Thüringen. Der leitende Polizeidirektor von Erfurt, Roland Richter, beteuerte in einem Telefonat mit dem schleswig-holsteinischen Innenministerium zwar offiziell, „alles zu tun, um die Aufklärung der Vorwürfe herbeizuführen“. Nach seiner Aussage vor Gericht liegt aber der Verdacht nahe, dass er die Polizisten dazu drängte, lieber alles abzustreiten.

Nach eigener Darstellung will der Polizeidirektor den Angeklagten lediglich den Rat erteilt haben, „dass das nur jeder für sich allein entscheiden kann“. Einer der Verteidiger aber hält ihm vor, seinen Mandanten „in seiner Aussage massiv unter Druck gesetzt zu haben“. Außerdem hatte der Vorgesetzte die Polizisten nach der Strafandrohung durch das Gericht zum Amtsarzt geschickt, der sie prompt krankschrieb. Obendrein riet er den Verteidigern, den Richter wegen Befangenheit abzulehnen.

Der Polizeidirektor begründete seine Intervention im laufenden Verfahren mit seiner Fürsorgepflicht gegenüber Untergebenen, weswegen er sich vom Amtsrichter vorhalten lassen musste: „Sie haben ein Problem mit Ihrer Rolle in diesem Prozess.“

Selbst Thüringens Innenminister Andreas Trautvetter (CDU) schaltete sich unter Verweis auf seine Fürsorgepflicht in das Verfahren ein. Nachdem die Angeklagten zum zweiten Prozesstag nicht erschienen und das Gericht Haftbefehl gegen sie erließ, schickte Trautvetter einen persönlichen Brief an Hamburgs Justizsenator Roger Kusch (CDU).

Darin rügte er die Haftbefehle als „unverhältnismäßig“ und sicherte zu, dass die Polizisten zum nächsten Verhandlungstermin erscheinen würden. „Ich gehe davon aus“, schrieb er weiter, „dass damit die Voraussetzungen für die Aussetzung der Haftbefehle vorliegen.“ In der hanseatischen Justiz stieß dieses Verständnis der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung auf Befremden.

Selbst wenn das Gericht heute wider Erwarten einen Freispruch verkünden sollte, zieht der Fall weitere juristische Konsequenzen nach sich. Die Staatsanwaltschaft hat Ende voriger Woche ein Ermittlungsverfahren gegen die Amtsärzte eingeleitet, die den Angeklagten pünktlich zum zweiten Prozesstag eine Krankschreibung ausstellten.