Biskys letztes Gefecht

Die PDS kämpft bei der Europawahl ums Überleben. Da ist alles recht, was Aufmerksamkeit bringt – auch Gerüchte

BERLIN taz ■ Lothar Bisky hat in seinem Leben zu oft die „Internationale“ gesungen, in der die Völker die Signale hören und sich zum letzten Gefecht aufmachen. Deswegen kann er die Frage, ob die Europawahl am Sonntag für seine Partei das letzte Gefecht sei, nicht leiden. Der PDS-Chef greift da lieber zu einer emotionslosen Formulierung. „Es ist eine sehr wichtige Wahl“, sagt er zur taz. „Wenn wir die Fünfprozenthürde überschreiten, würde sich die Partei konsolidieren.“

So kann man’s natürlich auch sehen. Aber das mit dem letzten Gefecht stimmt trotzdem. Die Europawahl ist der einzige nationale Stimmungstest vor der Bundestagswahl 2006, bei dem die PDS beweisen kann, dass sie aus der Niederlage 2002 gelernt hat. Und dass sie auf nationaler Bühne überhaupt gebraucht wird.

Offizielles Ziel ist die Wiederholung des Ergebnisses von 1999 – 5,8 Prozent und sechs Mandate im Europaparlament. In den Meinungsumfragen lag die PDS in den vergangenen Monaten bei fünf Prozent. In der letzten Umfrage fiel sie plötzlich wieder auf vier Prozent zurück. Bisky weiß, dass es eng wird. Die größte Aufmerksamkeit erregte die Partei, als Gregor Gysi vor ein paar Wochen einen Herzinfarkt erlitt. Das Strategiepapier der PDS, in dem sie einen radikalen Neuanfang für Ostdeutschland verlangt und dabei mit ihren eigenen alten Gewissheiten bricht – kennt kein Schwein.

In dieser verzweifelten Situation klammern sich die Genossen an alles, was Beachtung verspricht. Ein von Bisky hingeworfener Satz, ein Parteivorsitzender müsse nach jeder verlorenen Wahl über Konsequenzen nachdenken, wurde als Rücktrittsdrohung verstanden. Bisky, der nicht an Rückzug denkt, rückte das nicht gerade – in der Hoffnung, dieses Missverständnis bringe seine Wahlkämpfer noch mal auf Trab. Und dann natürlich wieder der ewige Gysi. Er sagte in einem Interview, es gebe nur wenige in der PDS, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen würden, diese wenigen müssten dann aber auch bereit sein, ihre Rolle anzunehmen. Flugs wurde der Satz in der Parteizentrale mediengerecht interpretiert: Gysi fühle sich in die Pflicht genommen und denke wohl doch an eine Rückkehr in die Politik.

Bisky redet lieber über Thüringen. Bei 23 Prozent liegt da die PDS, sogar noch vor der SPD. Ziel ist eine rot-rote Koalition. Bisky hat für den Fall sogar angeboten, seine Partei müsste nicht unbedingt den Ministerpräsidenten stellen. „Anfangs der 90er-Jahre sind wir in den Bundestag gekommen, weil wir im Osten stark waren“, sagt der PDS-Chef. Über die Lage im Westen macht sich Bisky keine Illusionen mehr. „Wir treten dort auf der Stelle. Die PDS ist fremd geblieben und erfährt gerade unter den Linken eine irrationale Ablehnung.“

Der Kulturwissenschaftler Bisky hat auf vieles keine rechte Antwort. Die gesellschaftlichen Milieus im Osten hätten sich radikal verändert, sagt er. Die ostdeutsche Grundstimmung fasst er so zusammen: „resignative Akzeptanz“. Keine guten Aussichten für die PDS. Egal, was Sonntag passiert. JENS KÖNIG