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Archiv-Artikel

Köln schneller als die EU erlaubt

Die Stadt will schon kurz nach Schließung der Wahllokale die ersten Ergebnisse der Wahlen zum Europaparlament veröffentlichen. Die EU-Kommission will das verhindern und notfalls klagen

Von SEBASTIAN HEISER

Sonntag, 18 Uhr, schließen in Köln die Wahllokale. Minuten später, um 18.15 Uhr, folgt die erste Trendmeldung, um 18.30 Uhr eine Hochrechnung. Wie in den Kölner Wahlkreisen bei den Wahlen zum EU-Parlament abgestimmt wurde, soll dann bereits um 19.45 Uhr unter www.stadt-koeln.de/wahleninkoeln im Internet stehen. Das Endergebnis inklusive Briefwahl ist für 21.30 Uhr angesetzt.

Doch die EU-Kommission sieht es gar nicht gern, wenn Wahlergebnisse vor 22 Uhr veröffentlicht werden – erst dann schließen in Italien, Polen und der Slowakei die Wahllokale. Sie fürchtet, dass die amtliche Bekanntgabe von Teilergebnissen die EU-Wahl in anderen Ländern beeinflussen könnte. Michael Friedrichsen, der Leiter des Kölner Wahlamtes, ist deswegen auf Nummer sicher gegangen: „Wir haben extra bei der Bundeswahlleitung und der Landeswahlleitung noch mal angefragt, ab wann wir Ergebnisse veröffentlichen können“, sagte er. Einhellige Antwort: ab 18 Uhr.

In Nordrhein-Westfalen ist das Innenministerium für die Organisation der Wahl verantwortlich. Hat man hier daran gedacht, dass in einigen Ländern noch bis 22 Uhr gewählt wird? Die Sprecherin des NRW-Innenministers Fritz Behrens, Dagmar Pelzer, sagte, sie sei auch überrascht gewesen, „dass das Thema so kurzfristig aufkommt. Es wird aber dabei bleiben, dass die Ergebnisse wie geplant schon vor 22 Uhr veröffentlicht werden, weil das organisatorisch nicht mehr anders zu machen ist.“ Das sei auch mit dem Bundeswahlleiter abgesprochen.

Johann Hahlen, der Bundeswahlleiter, sagte dazu auf Anfrage der taz, ihm sei erst an diesem Montag Nachmittag ein Brief der EU-Kommission zugegangen, vor 22 Uhr „keine Bundes- oder Teilergebnisse zu veröffentlichen“. An die Länder und Kommunen habe er das nicht weitergeleitet, da er es kurz vor der Wahl „nicht für vertretbar“ gehalten habe, an den Verfahren für Auszählung und Veröffentlichung noch etwas zu ändern. Das wäre bei den über 13.000 Gemeinden, 439 Kreisen und kreisfreien Städten und 16 Bundesländern so komplex und sensibel, dass es die Ergebnisermittlung „aufs höchste gefährdet“ hätte.

Die strittige Frage ist: Verbietet das EU-Recht nur die Bekanntgabe des nationalen Ergebnisses oder gilt das auch für lokale Ergebnisse wie in Köln? Keinen Kommentar gibt es dazu vom Bundeswahlleiter: Seine Aufgabe sei „rein wahlorganisatorischer Natur“. Für die Auslegung von Vorschriften des europäischen Rechts sei er nicht zuständig. Die EU-Kommission hält den Gesetzestext im „Akt zur Einführung allgemeiner, unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten im Europäischen Parlament“ aber für eindeutig. Dort heißt es: „Mit der Ermittlung des Wahlergebnisses darf erst begonnen werden, wenn die Wahl in dem Mitgliedstaat, dessen Wähler (...) als letzte wählen, abgeschlossen ist.“

Darauf hat auch Jonathan Faull, Chef der EU-Generaldirektion Justiz und Inneres, bereits am 4. Mai alle 25 Mitgliedsstaaten in deutlichem Ton aufmerksam gemacht: „Es dürfen keine offiziellen Wahlresultate veröffentlicht werden, auch nicht teilweise, bevor das letzte Wahllokal um 22 Uhr schließt.“ Lediglich private Institute, also in Deutschland etwa „Infratest dimap“ oder die „Forschungsgruppe Wahlen“, dürfen die Ergebnisse ihrer Befragungen bekannt geben.

In einem internen Papier der EU-Kommission, das der taz vorliegt, heißt es zudem, der Brief an die Mitgliedsstaaten von diesem Montag könnte „später als Unterstützung dienen“, wenn es notwendig werde, bei einer Rechtsverletzung vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen.

Dann könnte es der Bundesrepublik gehen wie den Niederlanden. Die haben das Ergebnis ihrer Wahlen schon am Donnerstag veröffentlicht. Ein Sprecher von EU-Justizkommissar Antonio Vitorino drohte darauf an, dass sich die Behörde eine Klage gegen die Niederlande vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorbehalte.