Bis aufs letzte Pulver

Bei seinem Auftritt in Berlin entzündete der türkische Süperstar Tarkan ein Feuerwerk der Metrosexualität

Wer bei der Berliner Volksbank ein Konto eröffnete, dem winkten Eintrittskarten für das Tarkan-Konzert, hieß es schon Wochen vor dem Gastspiel des türkischen Stars. Am Abend verteilten dann junge Promoterinnen des Geldinstituts vor der Halle Faltblätter, auf denen in türkischer Sprache für die Versicherungen der Bank geworben wurde. Daran lässt sich ablesen, wie sehr sich die Türken in Deutschland inzwischen als Zielgruppe etabliert haben, deren Konsum- und Freizeitverhalten von deutscher Seite nicht mehr belächelt, sondern ernst genommen wird.

Auch die Polizei vor der Max-Schmeling-Halle war nur dazu da, den drohenden Verkehrsinfarkt abzuwenden: Die meisten Konzertbesucher kamen offenbar lieber mit dem privaten Fahrzeug, als die öffentlichen Verkehrsmittel zu nehmen. Und zu Tarkan zieht es noch immer alle: nicht nur die Generation, die mit der Musik des türkischen Teenie-Idols groß geworden ist, sondern auch erstaunlich viele junge Mädchen, die noch nicht mal in der ersten Klasse der Grundschule gewesen sein dürften, als der orientalische Robbie Williams 1993 in der Türkei seine erste Platte veröffentlichte.

Seitdem hat sich die Konzertshow des türkischen Popstars enorm professionalisiert und braucht den Vergleich mit amerikanischen Vorbildern nicht mehr zu scheuen: Eine Showtreppe kam der 31-Jährige in der Max-Schmeling-Halle heruntergehüpft, ganz in Schwarz – in glänzender Lackhose und luftigem Hemd –, während eine Leinwand über ihm jede seiner Bewegungen vergrößerte. Zum Auftakt fiel er gleich mit seinem aktuellen Hit „Dudu“ ins Haus, während vor ihm die Feuerwerkssäulen aufstiegen.

Mit dem schmissigen „Dudu“ hatte sich Tarkan im vergangenen Jahr bei seinem Publikum zurückgemeldet: Von den Hoffnungen auf eine internationale Karriere, die er sich nach seinem Welterfolg mit dem Kusssong „Simarik“ vor ein paar Jahren gemacht hatte, scheint er sich vorerst verabschiedet zu haben.

Doch zu Hause in der Türkei gilt Tarkan noch immer als Maßstab in Sachen Pop und als modischer Trendsetter dazu: Seine strubbelige Beckham-Frisur, mit der er auch in Berlin von den Plakaten lächelte, wird von seinen türkischen Fans inzwischen tausendfach kopiert: Auch in der Max-Schmeling-Halle trugen viele Jungs ihre Haare zum Hahnenkamm nach oben gegelt.

„Metrosexuell“ ist zum Schlagwort für einen solchen Look geworden: Dabei hat ihn Tarkan schon lange vor dem britischen Fußballer kultiviert. Er war, wenn man so will, der erste Metrosexuelle, und der Stil, mit dem er auf der Bühne tänzelt, wie er seine Schultern schüttelt und seinen Kopf hin und her wirft, ist noch immer sehr eigen. Zum orientalischen Beat der Darbuka-Handtrommel führte Tarkan während des Konzerts sogar seine Bauchtanzfähigkeiten vor und zog dabei demonstrativ sein T-Shirt hoch: kokett!

Über die Leinwand flimmerten derweil Ausschnitte aus seinen Musikvideos, einmal auch ein plakatives Peace-Zeichen: Dazu sang Tarkan einen Song über Kindersoldaten. Versucht sich der Wehrdienstverweigerer jetzt an politischen Gesten?

Die Videoeinblendungen eigneten sich aber auch gut zum Garderobenwechel: Zum Kusssong „Simarik“ kehrte Tarkan in Jeans und Lederjacke zurück, und hatte bald den Saal hinter sich gebracht: Selbst auf den hintersten Rängen schüttelten fortan alle ihre Hüften oder nahmen minutenlange Passagen auf ihren Fotohandys auf.

Indem er den Bogen von Trance-Techno bis zur anatolischen Volksweise schlug, bestätigte Tarkan einmal mehr seine Ausnahmerolle: Zu einem Volkslied des anatolischen Wandersängers Asik Veysel begab er sich in den Schneidersitz und ließ den Saal in den Refrain einstimmen. Zur Zugabe kehrte er dann noch einmal mit „Dudu“ zurück und verschoss das letzte Feuerwerkspulver. Anschließend setzten sich vor der Halle die Wagenkolonnen in Bewegung: die eine nach Kreuzberg, die andere Richtung Wedding. DANIEL BAX