KOPFPAUSCHALEN-DISKUSSION ZEIGT: DIE UNION HAT KEIN REFORMKONZEPT
: Schwarz-schwarzes Chaos

Nach der Regierung hat jetzt auch die Union das Geschäft des „Nachbesserns“ für sich entdeckt. So kursierte am Wochenende die Meldung, CDU-Chefin Angela Merkel habe in aller Stille schon die vierte Variante ihres Kopfpauschalen-Modells erarbeitet. Das Dementi eines Sprechers, der Bericht sei „so“ nicht richtig, machte die Sache dann nur noch schlimmer. Demnach befinden sich die Pläne erst im Stadium von „Modellrechnungen“. Das heißt auf Deutsch: Die Union weiß, dass ihr Konzept für die Kopfpauschale nicht funktioniert. Aber sie weiß nicht, wie sie es besser machen soll.

Just an dem Wochenende, an dem die Union bei der Europawahl noch einmal von den Reformproblemen der Regierung profitiert hat, zeigte sie überzeugender denn je: Besser könnte sie es auch nicht. So wenig wie das Nachsitzen bei der Kopfpauschale beeindruckte der fehlgeschlagene Versuch vom Freitag, bei der Rentenbesteuerung ein Gesetz zu blockieren, dessen Notwendigkeiten auch CDU und CSU nicht leugnen konnten – ganz ähnlich wie umgekehrt der Versuch der SPD, zur Befriedung der eigenen Basis eine Ausbildungsabgabe einzuführen, von der auch im Regierungslager kaum jemand überzeugt ist.

Obendrein zeugt das hasenfüßige Beharren von CSU-Chef Edmund Stoiber, dem Brüsseler EU-Kommissionsvorsitz seinen Arbeitsplatz in der bayerischen Provinz vorzuziehen, nicht gerade von ernsthaftem Willen zum Regieren und Gestalten. Auch dies findet seine Parallele im Regierungshandeln: Schon der grüne Vizekanzler Joschka Fischer unterhielt das Publikum monatelang mit seinem Zaudern, ob er als EU-Außenminister nach Brüssel ziehen solle oder nicht. Im Unterschied zu Stoiber freilich nähme der Hesse ein solches Angebot gerne an – wenn es käme.

So hat die Union in wenigen Tagen nachgeholt, was sie der Regierung seit Jahren vorwirft. Dabei ist die Idee der Kopfpauschale, die Finanzierung des Gesundheitswesens von Löhnen und Gehältern zu entkoppeln, in einer Gesellschaft mit nur noch 40 Prozent Erwerbstätigen ja gar nicht so verkehrt. Doch der Ruf nach solchen Radikalreformen ist wohlfeil. Wer das Zeug zum Reformer hat, erweist sich erst in der Praxis. RALPH BOLLMANN