: Shampoo für die fröhliche Göttin
Europas einziges Voodoo-Museum steht in Essen. Nur am Rand geht es um fiese Zauberpuppen. Spirituelle Rituale dienen der Harmonie und Heilung
AUS ESSEN CHRISTINA SCHRAMM*
Mami Wata mag es schön. Es muss gut riechen an ihrem Altar, der immer gefegt und sauber ist. Die Figuren, die zu ihrem Pantheon gehören, werden ordentlich gepudert. Die Opfergaben sind liebevoll ausgesucht: Puder, Parfum, Spiegel, Kämme, Geld, golden-weiße Zigarettenschachteln und Fanta, alles Sachen, die einer schönen weißen Frau gefallen. Denn das ist Mami Wata. Sie kommt aus dem Wasser, hat helle Haut und sieht aus wie eine Nixe. Sie ist eine der mächtigsten Voodoo-Gottheiten, die Göttin des Wassers. Ihren Anhängern begegnet sie mit Fröhlichkeit, verheißt ihnen Reichtum.
Die meisten Menschen denken bei Voodoo an Zauberei, Zombies und mit Nadeln durchbohrte Püppchen. Alles Quatsch, sagt Henning Christoph, der sich seit vielen Jahren mit Voodoo beschäftigt. Anderen Menschen Schaden zuzufügen sei niemals das Ziel von Voodoo, sondern Heilung und Harmonie. Um mit Hollywood-inspirierten Vorurteilen aufzuräumen und um Verständnis für die afrikanische Kultur zu wecken, hat der Ethnologe und Fotojournalist 2001 in Essen ein Voodoo-Museum eröffnet – das einzige in Europa. Wer hierher kommt, kann hinterher vielleicht immer noch nicht erklären, was Voodoo ist, aber er verlässt das Museum gewiss mit weniger Vorurteilen.
Das kleine Museum liegt in einer ehemaligen Zahnarztpraxis auf der Rüttenscheider Straße, nicht weit von Geschäften und Kaufhäusern. Wer die Tür öffnet, ist mit einem Schritt in einer anderen Welt. Vom Straßenlärm ist nichts mehr zu hören, stattdessen erfüllen Trommelrhythmen den Raum, die Luft ist von Räucherstäbchen süß und schwer.
Links neben der Tür steht ein weißer Mercedes aus Holz, er ist etwa so groß wie ein Mensch. Ein Sarg. „Es liegt aber keiner drin“, erklärt Henning Christoph mit einem Schmunzeln. Einen Mercedes zu besitzen, ist der größte Traum vieler Afrikaner – in einem aus Holz begraben zu werden, sei keine Seltenheit.
Die Ausstellungsstücke hat Christoph von seinen Reisen aus dem Benin mitgebracht, der Wiege des Voodoos. Im Raum stehen viele Figuren von Göttern, in Vitrinen sind magische Gegenstände ausgestellt. „Es gibt unzählig viele Voodoo-Götter“, erzählt Christoph. Sie sind so verschieden wie die Menschen: Manche sind gutmütig, manche zornig, manche wild und andere zu Späßen aufgelegt. Das Ziel der Voodoo-Anhänger ist es, die Götter auf ihrer Seite zu haben. Mit Opfern und Ritualen werden sie besänftigt, umschmeichelt, um etwas gebeten. Rituale werden von Priestern und Priesterinnen vollzogen, ebenso wie Zauber.
Was beim Voodoo ist Wahrheit, was Legende? Eine Glaubensfrage. Henning Christoph zeigt auf einen Hundeschädel, der für einen Belegungszauber benutzt wurde. Ein Mann sei zu einem Priester gegangen, weil ihm ein anderer Mann Geld schuldete und es nicht zurückzahlen wollte. Der Priester sollte ihm mit einem Zauber belegen, der ihn zum Bezahlen bewegt. Bevor ein Zauber angewandt wird, werden die Orakel befragt: Ist es rechtens, zu zaubern, oder kommt ein Unschuldiger zu Schaden? Das Orakel sprach gegen den Mann, der nicht zahlen wollte. So wurde der Hundeschädel mit Pflanzen gefüllt, fest umwickelt ins Wasser gelegt und besprochen. Die Pflanzen seien aufgequollen, sagt Henning Christoph, der Schuldner habe Magenschmerzen bekommen. „Schließlich hat er seine Schulden bezahlt.“ Solche Magie funktioniere – „In einer Gesellschaft, in der alle daran glauben.“
Christophs Interesse an Voodoo ist nicht spiritueller Natur: “Voodoo ist eine urafrikanische Religion und auf Europäer nicht übertragbar.“ Er sieht sich als Chronist.
Ein großer Durchbruch in der Wand gibt den Blick frei auf Mami Watas Altar, das Herzstück des Museums. Der Altar ist aktiv, das heißt, er wird regelmäßig von Afrikanern benutzt. Vor sechs Jahren wurde er im Benin aus einem heiligen Stamm geschnitzt. Bevor er im Museum ankam, wurde er geweiht. „Wir sind mit dem Altar durch ganz Deutschland gereist, haben heilige Orte gesucht“, erklärt Christoph. Das waren vor allem Flüsse, damit die Wasserwege für Mami Wata, die Göttin des Wassers, frei sind. Die Vorstellung von der Göttin als Nixe kommt von den europäischen Seefahrern, vermutet Christoph.
Heute stehen auf Mami Watas Altar 41 Figuren. Dass auch ein Imam dabei ist, findet Christoph nicht verwunderlich: „Voodoo ist nicht nur eine äußerst tolerante Religion, sie nimmt auch Elemente von anderen Religionen auf, vor allem vom Christentum und dem Islam.“
Das Interesse des Fotografen an Voodoo erwachte, als er 1988 zum ersten Mal für eine Reportage nach Benin reiste. Später hatte er das Glück, den Neffen eines bekannten Voodoo-Priesters kennen zu lernen, der ihm den Zugang zu Zeremonien und Ritualen bot. Etwa 100 Besucher führt Christoph im Monat durch sein Museum. „Manche bleiben eine Stunde, manche drei, andere muss ich irgendwann sogar bitten, zu gehen.“
Ein Altar im Museum ist den Zwillingen geweiht, die als Gottheiten verehrt werden. Stirbt ein Zwilling, wird eine Statue geschnitzt. Sie wird auf einen Altar gestellt, oder der andere Zwilling trägt sie bei sich. Die Gottheit ist mächtig. Die Zwillinge müssen mit Opfern bei Laune gehalten werden, weil sie sonst Schabernack mit der Familie treiben. Zwischen den Figuren liegen Bonbons und Münzen als Opfergaben.
Der Tradition nach werden in Afrika die Toten verehrt. Groß und bunt sind die Kostüme der Egunguns, der zurückgekehrten Toten. Die Kostüme werden bei Ritualen getragen, bei denen gespielt wird, dass ein Toter Besitz von der Person unter dem Kostüm ergreift, um verehrt zu werden. Egunguns gelten als Spaßmacher und sind vor allem bei Kindern beliebt. Dennoch sind sie heilig und ihre Kleidung darf nicht berührt werden. Neben den Kleidern der Egunguns stehen Asen, Statuen, die die Seelen der Ahnen symbolisieren. „Um ein Ahn zu werden, muss man mindestens 50 Jahre gelebt haben und immer ein guter Mensch gewesen sein“, erklärt Christoph.
Im Benin besitzt er eine Farm, die er alle drei Monate besucht. Im August wird dort eine Klinik eröffnet, in der traditionelle Pflanzenheilkunst angewandt werden soll. Finanziert wurde das Projekt zum größten Teil aus Bundesmitteln. „In Afrika gibt es ein enormes Wissen über Pflanzen und ihre heilsame Wirkung“, sagt Christoph. Es sei aber schwierig, es zu dokumentieren, weil nur wenige Heiler bereit seien, ihr Wissen zu teilen. Christoph hat einige gefunden, die in der Klinik mitarbeiten werden. Er hofft, dass irgendwann einmal ein Austausch von Medizinstudenten möglich ist.
Für die Zukunft hat Henning Christoph viele Visionen, auch was sein Museum in Essen betrifft. Dauerhaft wird es wahrscheinlich nicht in der kleinen Zahnarztpraxis bleiben. Zu viele weitere Exponate, die von afrikanischer Kultur, Kunst und Alltag zeugen, hat er bei sich gelagert. Sein Traum: Einmal ein Afrikanisches Kulturzentrum in Deutschland eröffnen.
■ Soul of Africa Museum, Essen-Rüttenscheid. Öffnungszeiten nach Vereinbarung, Telefon 0201/782448, Eintritt: 6 Euro.■ *Christina Schramm volontiert bei chrismon plus rheinland