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Archiv-Artikel

Traumquote beflügelt die Grünen

Nach ihrem Triumph bei der Europawahl halten sich Kölns Grüne für die Kommunalwahl alle Koalitionsoptionen offen. Auch andere Klein-Parteien legen zu, SPD und CDU werden abgestraft

Von Frank Überall

Die Kölner Grünen sind im politischen Höhenflug. Nach dem Traumergebnis bei der Europawahl, die ihnen in Köln 23,6 Prozent Stimmenanteil bescherte, gehen sie mit neuem Selbstbewusstsein in den Kommunalwahlkampf. „Das Koalitionskarussell hat begonnen, sich neu zu drehen“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Barbara Moritz. Konkret bedeutet das: Neben Schwarz-Grün wird jetzt auch wieder über eine Zusammenarbeit mit der SPD nachgedacht.

In der Kölner Südstadt räumten die Grünen unglaublich ab – mit 44 Prozent der Stimmen wurde die Partei dort mit Abstand stärkste politische Kraft. In einem Stimmbezirk konnten die Grünen sogar die Traumquote von 55 Prozent ergattern. „Ich konnte es zunächst gar nicht glauben“, meinte Moritz.

Im Rathaus hieß es, die Grünen hätten sich, wie auf Landes- und Bundesebene, gegenüber dem größeren Koalitionspartner erfolgreich abgegrenzt. Ihnen gelinge es, sozusagen eine Opposition innerhalb der Kooperation zu machen. Entsprechend ernst zu nehmen dürften Drohungen der Grünen-Fraktionsspitze sein, notfalls auch mit den Sozialdemokraten zusammen gehen zu wollen. „Wir werden mit allen verhandeln und schauen, wobei am meisten Grün rauskommt“, sagte Moritz.

Die SPD wird‘s freuen. Ansonsten ist der einzige Lichtblick für die Kölner Sozialdemokraten, dass auch die hiesige CDU mit 34,4 Prozent über 6 Prozent verloren hat. „Köln ist keine schwarze Stadt“, tröstet sich der sichtbar enttäuschte SPD-Vorsitzende Jochen Ott über das dramatische Abschneiden (23,8 Prozent, Minus 11,4 Prozent) seiner Partei hinweg. „Wir haben verloren, das ist klar.“ Genauso wie sein Amtskollege Walter Reinarz von der CDU meint Ott aber, dass die Kölner Spendenskandale nicht für den Absturz der beiden großen Parteien in der Stadt verantwortlich waren.

Kölns FDP-Chef Reinhard Houben hatte nach der Wahl ein lachendes und ein weinendes Auge. Seine Partei hat ihr Ergebnis mit 8,6 Prozent seit der letzten Europawahl 1999 verdoppelt. Dass das an den rechtspopulistischen Äußerungen führender Liberaler in Köln lag, wollte Houben nicht sagen: „Das ist doch Unsinn. Unsere Schwerpunkte Sicherheit, Sauberkeit und Verkehr sind doch keine rechtspopulistischen Themen. Es sind nur Gebiete, bei denen sich die anderen offenbar nicht trauen, etwas zu sagen.“ Eine Koalition mit der CDU sei inzwischen nicht mehr unbedingt das Wunschziel für die Zeit nach der Kommunalwahl, ließ Houben durchblicken. „Mit so einer unzuverlässigen CDU wie in Köln machen die Verhandlungen sicher keinen Spaß.“

Auffällig beim Urnengang vom Sonntag war aber auch die große Bereitschaft der Kölner, alternative Parteien zu wählen. Rund sechs Prozent der Wahlberechtigten haben das getan – was wiederum Andreas Henseler vom Kölner Bürger Bündnis freute. „Dass die Grünen es mit diesem Ergebnis geschafft hätten, einzelne Wahlkreise direkt zu ziehen, bestätigt unsere Strategie, in drei Wahlbezirken einen Schwerpunkt-Wahlkampf zu machen.“

Gute Chancen, auch nach der nächsten Kommunalwahl mit von der Partie zu sein, rechnet sich auch die PDS (3,1 Prozent) aus. „Wenn der Trend anhält, können wir mit vier Prozent rechnen – das wäre dann erstmals Fraktionsstärke“, schwärmte Ratsherr Jörg Detjen. Die Offene Liste der Partei werde im Wahlkampf zeigen, dass eine sozialere Politik möglich sei, als sie von Schwarz-Grün derzeit gemacht werde. Als Beispiele nannte Detjen die Aufstockung der Ausbildungsplätze bei der Stadt, die Bezahlung der Anti-Baby-Pille für Sozialhilfeempfängerinnen durch das Sozialamt.

So dürfte es nach der Kommunalwahl richtig spannend werden. Wenn die CDU keine absolute Mehrheit holt, dreht sich das von Moritz erwähnte Koalitionskarussell wahrscheinlich mit größerer Geschwindigkeit und mehr Mitfahrern denn je. Ob das „Modellprojekt Schwarz-Grün“ dann weiter in der ersten Reihe sitzt, ist noch nicht entschieden.