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Archiv-Artikel

Trio für Trittin

Das Berliner Umweltbundesamt siedelt nach Dessau über. Die Entscheidung wurde drei Jahre nach der Wende vom Bundestag beschlossen. Insgesamt sollen 16 Bundesämter, Ministerien und Institute in die Gebiete auf dem Gebiet der ehemaligen DDR verlegt werden. 1999 hätten eigentlich die Mitarbeiter des Umweltbundesamtes in Berlin ihre Koffer packen müssen. Aber es wird noch bis Februar kommenden Jahres dauern, bis die rund 800 Beschäftigten in den Dessauer Glasbau einziehen können. Viele Mitarbeiter hätten den Tag X gern hinausgeschoben, so wie Jana Schmidt. Heike Habeck und Christoph Mordziol können es indessen kaum erwarten. Drei Kurzporträts. Katja C. Müller

verwurzelt

Heike Habeck bewarb sich vor rund vier Jahren nur deshalb beim Umweltbundesamt, weil sie von den Umzugsplänen der Behörde wusste. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Kollegen, kam für die 36-jährige Bürosachbearbeiterin ein Leben in Berlin nicht in Frage. Sie hat die Großstadtatmosphäre nie gemocht. Habeck ist in Dessau geboren, es ist ihre Heimat. Als sie dort als gelernte Bürokauffrau keine Arbeit fand, musste sie außerhalb eine geeignete Stelle suchen. Nun sitzt sie im hauptstädtischen Vorzimmer des Vizepräsidenten. Doch der ursprünglich für 1999 geplante Umzug verzögerte sich und aus drei wurden fünf Jahre des Wartens. In dieser Zeit lernte Habeck ihren Freund kennen, der ebenfalls für die Behörde tätig ist. Im Moment arbeitet und wohnt sie von Montag bis Freitag in Berlin. Am Wochenende fährt sie mit ihrem Freund die 120 Kilometer nach Dessau in die neue gemeinsame Wohnung. „Nochmal würde ich nicht pendeln, das ist verdammt hart.“ Aber die meisten ihrer Kollegen werden ab Frühjahr 2005 täglich hin und her fahren, prophezeit Habeck, und für diejenigen, die noch bis zu 30 Jahre arbeiten müssen, dürfte die Pendelei erst recht zur Strapaze werden. Eine interne Umfrage der Behörde vom Mai bestätigt Habecks Vermutung: Lediglich 16 Prozent der rund 800 Mitarbeiter wollen nach Dessau ziehen, immerhin über die Hälfte plant zu pendeln

versetzt

„Es wäre besser, die Entscheidung hätte nicht angestanden“, seufzt die Sekretärin der Pressestelle Jana Schmidt. 1992 begann sie für das Umweltbundesamt zu arbeiten, da stand bereits fest, dass die Behörde nach Dessau zieht. Dabei fühlt sich die 34-Jährige in dem hellen Bau mit Seerosenteich im Innenhof ausgesprochen wohl.

Und dann ausgerechnet Dessau. Die Stadt sei schon zu DDR-Zeiten nicht unbedingt ?die Ecke gewesen, wo ich hingehen würde?, erzählt Schmidt. Und auch jetzt komme ein Umzug nicht in Frage. Sie hat sich mit ihrer Familie in Berlin eingerichtet: Der Mann hat Arbeit, mit dem Kind bewohnen sie ein Einfamilienhaus. So mutig sei sie eben nicht, das alles aufzugeben. Deshalb muss Schmidt sich Anfang 2005 einen Zweitwohnsitz in Dessau suchen. Dort will sie von Montag bis Mittwoch leben, den Rest der Woche arbeitet sie am Bildschirm von zu Hause aus in Berlin. Die entstehenden Kosten der Zweitwohnung könnten durch das Trennungsgeld ein wenig ausgeglichen werden, dass die Mitarbeiter für zwei Jahre erhalten. Aber ein bisschen scheint auch sie von Aufbruchsstimmung erfasst zu sein. Wohnen könne man ja schließlich überall, meint sie plötzlich pragmatisch. Und abends könne sie sogar ein wenig Sport treiben, wofür ihr in Berlin die Zeit fehle. Man muss eben die Vorteile sehen, konstatiert sie, ?Ich will mich ja in Dessau nicht amüsieren?. Ihren Chef, Bundesumweltminister Jürgen Trittin, wird zumindest diese Einstellung freuen.

verliebt

Bei Dessau dachte er zuerst an die Junkers-Werke und das Bauhaus. „Dann musste ich erst einmal in den Atlas schauen“, erklärt Christoph Mordziol. Der 44-Jährige hatte bereits in fünf Bundesländern gelebt. Als der gelernte Maschinenbauingenieur 1995 seine Stelle im Umweltbundesamt antrat, war Berlin für ihn nur eine Zwischenstation. Der Ort, an dem er endlich „Wurzeln schlagen“ wollte, sollte eine Kleinstadt sein. Weil das Umweltbundesamt plant, nach Dessau überzusiedeln, nahm er die Stelle an. So lebt er nun, statt im hauptstädtischen Flair in einem Altbau auf dem Land - rund 200 Meter von der Elbe entfernt.

Er pendelt er von Dienstag bis Donnerstag ins Umweltbundesamt Berlin. Das Wochenende kann er in Dessau verbringen, da er freitags und montags im Ausweichquartier „Wörlitzer Bahnhof“ arbeitet. Solange, bis der Neubau fertig ist und er nicht mehr nach Berlin fahren muss. Dass die meisten seiner Kollegen bei dem Wort Dessau weniger an landschaftliche Weite sondern eher an kleinstädtische Spießigkeit denken, wundert Mordziol nicht. „Viele lehnen die Stadt wahrscheinlich deshalb ab, weil sie nicht gefragt worden sind. Man hat über ihre Köpfe hinweg entschieden und jetzt projizieren sie ihren Ärger auf Dessau.“