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Archiv-Artikel

Der Teufel trägt Jeans

Mit dem Theaterstück „Fast Faust“ gelingt es ausgerechnet zwei Naturwissenschaftlern in Bremen, Goethes „Faust“ in moderner Form für ein breites Publikum auf die Bühne zu bringen. Dabei zeigt sich, dass das Unterhaltsame auch im Ausgangstext seinen Platz hat

Goethes Faust auf der Bühne – das verspricht, totlangweilig zu werden. Die Alten haben ihren Faust – „Habe nun, ach! Philosophie studiert …“ – halb auswendig gelernt, die jüngeren Generationen dagegen sind genervt von den Sprüchen – „Es irrt der Mensch, solang er strebt.…“. Ganz zu schweigen davon, wenn der „Faust“ halbwegs werktreu auf die Bühne kommt. Und das vier Stunden lang.

Was doch möglich ist, zeigen die zwei Naturwissenschaftler Boris Koch und Jörg Peterschewski, die sich schon in früher Jugend dem Theaterspiel verschrieben haben. Nach der Vorlage von Albert Frank haben sie aus dem „Faust“ ein unterhaltsames 90-minütiges Stück gemacht, das sich an einem Fernseh-Format orientiert und gleichzeitig wesentliche Passagen des Goethe-Textes enthält. Der „Faust“ soll so unter dem Titel „Fast Faust“ in authentischen Versen solchen Zeitgenossen nahe gebracht werden, die ihre Bildung gewöhnlich aus Talkshows beziehen. Nun wurde „Fast Faust“ im Theatersaal der Bremer Uni gezeigt.

Der dramaturgische Trick: In dem Stück geht es darum, dass zwei Schauspieler – die weibliche Dritte im Bunde ist gerade unpässlich – den echten „Faust“ mit seinen 57 Rollen auf die besagte Länge von 90 Minuten bringen wollen. Das Unterfangen bietet hinreichend Gelegenheiten für komische Situationen und Publikumsbeteiligung. Da wird ein Zuschauer als Souffleur eingespannt und veralbert, eine Dame soll die Rolle des Erdgeistes übernehmen und die dritte Schauspielerin soll barbusig auf die Bühne kommen, muss aber ja von einem Mann ersetzt werden, was den gewünschten Effekt unmöglich macht. Als Faust in seinem Verlangen nach Gretchen erklärt, die sei ja schon 14 Jahre alt, fällt Peterschewski als Mephisto regelrecht aus der Rolle und meint konsterniert, das gehe ja nun nicht – Doktor Faust als „Kinderficker“.

So wird der Textfluss des „echten“ Goethe immer wieder durchbrochen durch dramaturgische Überlegungen. Der Wechsel gelingt dem „Intendanten“ Boris Koch, der gleichzeitig Faust spielt, Gottvater, die Hexe, Marthe und den bösen Geist, mit bewundernswerter Leichtigkeit.

Die Unterbrechungen sorgen dafür, dass man sich nie länger als zehn Minuten auf Goethe konzentrieren muss. So sind eben die modernen Zeiten. Und Peterschewski spielt den Mephisto im Kontrast zum Mephisto alter Prägung so „normal“ und unverkrampft, dass man fast eine Absicht dahinter vermuten könnte. Seine Botschaft: Der Teufel ist eben der Nachbar mit der Jeans-Hose.

Koch als Faust deklamiert den Text mit dem Pathos, das eben zum Original gehört. Aber dann – Schnitt – spielen Koch/Peterschewski mit großer Hingabe unbekanntere Szenen aus dem „Faust“, die deutlich machen, dass in dem Klassiker der Weltliteratur auch jede Menge an seichter Klamotte steckt – offenbar verfolgte Goethe auch zu seiner Zeit das Anliegen, seinem Publikum Unterhaltung zu bieten.

So wird der „Prolog“ des Frank’schen „Faust“, das Stück müsse für die Menschen des Fernsehzeitalters mundgerecht eingepackt werden, durch den echten Goethe relativiert. Der bot auch unterhaltsamen Stoff, um sein Publikum zu erreichen.

Die beiden Laien-Schauspieler – Koch ist Chemiker beim Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven und Experte für organische Substanzen im Polargebiet, Peterschewski ist Mikrobiologe mit dem Spezialgebiet Schimmelpilze bei der amtlichen Materialprüfungsanstalt in Bremen – bringen ihren „Fast Faust“ mit bewundernswerter Professionalität auf die Bühne. Nicht nur die Schüler, die im Publikum im Theatersaal der Bremer Uni saßen, waren begeistert.

KLAUS WOLSCHNER

weitere Aufführungen: 7. 2, Kito, Bremen-Vegesack; 27. 2., Foolsgarden, Hamburg