Vier Minuten zur Meisterschaft

Die A-Jugend des VfL Bochum steht nach einem deutlichen Erfolg über Greuther Fürth im Hinspiel vor dem Einzug ins Finale um die deutsche Meisterschaft. Kontinuität und gute Perspektiven erleichtern die multikulturelle Arbeit

BOCHUM taz ■ Manchmal reichen vier Minuten, um ein Fußballspiel, oder sogar zwei Spiele, zu entscheiden. Im Halbfinale um die deutsche A-Jugendmeisterschaft nutzte der VfL Bochum zwischen der 67. und 70. Minute die unerwartete Konfusion in der Hintermannschaft der SpVgg Greuther Fürth gnadenlos aus. Plötzlich hieß es 3:0 – und bis zum Ende des Spiels blieb es dabei. Selbst bei einer moderaten Niederlage im Rückspiel hat der VfL die erste Endspielteilnahme seit dem Titelgewinn im Jahr 1969 sicher.

Bochums Trainer Sascha Lewandowski wollte nach dem Spiel allerdings nichts von einer Vorentscheidung wissen: „Wir haben gute Chancen, sind aber noch lange nicht durch“, sagte er leicht grippegeschwächt: „Der Sieg ist zu hoch ausgefallen.“ Tatsächlich sah es bis zur 67. Minute keinesfalls so aus, als sollte eines der beiden Teams den Platz des Ruhrstadions als klarer Sieger verlassen können.

Die Spieler beider Teams wirkten nervös und gehemmt – obwohl die Kulisse von 2.000 Zuschauern nicht unbedingt zum Angstmachen taugt. „Für die Spieler ist es natürlich etwas Besonderes, wenn sie im Stadion spielen“, sagt der sportliche Leiter der Jugend, Jürgen Heipertz, „und wenn sie ihren Namen auf der Anzeigentafel sehen werden schon einmal die Knie weich.“

Den Bochumern war jedenfalls in den ersten 60 Minuten nicht anzumerken, dass sie während der Saison der Bundesliga West ungeschlagen blieben. Auch die Tatsache, dass die Hälfte der Spieler bereits im letzten Jahr im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft stand, schien nicht zu helfen. Als dann auch noch einige Tribünengäste sich mit ihren Zwischenrufen dem Profiniveau annäherten, drohte das Spiel aus Bochumer Sicht sogar ins Negative zu kippen.

Bis Suri Ucar für die Befreiung sorgte. Mustafa Kucukovic und Ersan Tekkan folgten und manifestierten so den Erfolg des Multikulti-Teams: Sieben Stammspieler stammen aus Einwanderfamilien. Die meisten in zweiter oder dritter Generation – mit deutschem Pass ausgestattet. Die jungen Spieler knüpfen dabei an eine ruhmreiche Ruhrgebietstradition an. Anfang des letzten Jahrhunderts waren vor allem die polnischen Aussiedler wie Szepan und Kuzorra maßgeblich am Erfolg des FC Schalke 04 beteiligt.

Dass nun der VfL Bochum den Erfolg hat und nicht die „großen“ Nachbarn Schalke 04 und Borussia Dortmund, ist überraschend. „Unser Vorteil ist die Kontinuität“, sagt Jürgen Heipertz. Die Verträge mit allen Jugendtrainern wurden über die Saison verlängert, außerdem hätten die Spieler gute Perspektiven, in den Profikader zu rücken. In den letzten zehn Jahren schafften die Spieler Delron Buckley, Frank Fahrenhorst, Sebastian Schindzielorz oder Paul Freier den Sprung in die Bundesliga-Mannschaft. Vom aktuellen A-Jugendkader hat U-19 Nationalspieler Ersan Tekkan bereits einen Profivertrag erhalten. Nationalspieler und Mannschaftskapitän Marvin Matip soll zur Saison 2005 ebenfalls einen Profivertrag unterschreiben. In der nächsten Saison wird er gemeinsam mit sieben seiner A-Jugendkollegen in der Bochumer Oberliga-Mannschaft spielen. Vielleicht sogar als amtierender Deutscher Meister. HOLGER PAULER