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Archiv-Artikel

Von der Dax-AG zur VEB Continental?

Niedersachsen und Bayern prüfen, den in Schieflage geratenen Autozulieferern Continental und Schaeffler unter die Arme zu greifen. Finanzwissenschaftler Stefan Homburg rät dazu, die Franken „gegen die Wand fahren zu lassen“

Zulieferer-Gipfel in Berlin

Die Ministerpräsidenten der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen, Günther Oettinger (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Christian Wulff (CDU), treffen sich am kommenden Donnerstag in Berlin zum Auto-Zulieferer-Gipfel in Berlin. Auch Bundeswirtschaftsministers Michael Glos soll dabei sein. Thema ist ein erstes Abtasten über mögliche Beihilfen für die Schaeffler Gruppe und den Autozulieferer Continental. Am Montag machte ein Sprecher von Continental deutlich, dass das hannoversche Unternehmen auf absehbare Zeit keine Finanzhilfen benötige: „Wir verfügen über eine Liquidität von 3,5 Milliarden Euro aus Barmitteln und ungenutzten Kreditlinien.“ Ein Sprecher der Schaeffler Gruppe wollte sich dagegen zu den Berichten über benötigte Zuwendungen nicht äußern. Schaeffler besitzt derzeit 49,9 Prozent der Continental-Aktien, weitere Aktien-Pakete in Höhe von etwa 40 Prozent sind bei verschiedenen Banken geparkt. TAZ

VON KAI SCHÖNEBERG

Nach milliardenschweren Hilfspaketen für die Banken denkt die öffentliche Hand nun erstmals über ein Rettungspaket für Industrieunternehmen nach. Bayern und Niedersachsen prüfen Staatshilfen für die Autozulieferer Schaeffler in Herzogenaurach und Continental in Hannover. Dass die Verhandlungen fortgeschritten sind, bezeichnete ein Sprecher von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) am Montag als „dummes Zeug“. Ausschließen wollte er Beihilfen allerdings auch nicht: „Es gibt Gespräche mit allen Beteiligten.“

In einigen Presseberichten stecke „viel Phantasie“, sagte Wulff, der Beihilfe-kritische Koalitionspartner FDP blieb am Montag stumm. Derzeit wird über zwei Möglichkeiten der Staatsintervention spekuliert. Entweder steigt Niedersachsen direkt in eine abgetrennte Reifen-Sparte der Continental ein. Oder das Land bürgt für einen Finanzinvestor, der die Conti-Filiale kauft. Angeblich sollen die Länder mit je einer halben Milliarde Euro einspringen.

Eigentlich war dem Familienunternehmen Schaeffler im Sommer durch den Einstieg beim drei Mal so großen Konkurrenten Conti ein Coup gelungen: Durch die Fusion entsteht der mit 210.000 Jobs drittgrößte Autozulieferer der Welt, allein in Deutschland hat er 80.000 Mitarbeiter. Zwar hatte der Mehrheitsaktionär am Wochenende den monatelangen Machtkampf gewonnen – Schaeffler zieht mit vier Mandaten in den Conti-Aufsichtsrat ein – gleichzeitig hat sich die Unternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler aber offenbar gründlich an Conti verhoben. Um die Übernahme zu finanzieren, nahm Schaeffler Kredite in Höhe von rund zehn Milliarden Euro auf. Jetzt machen die Gläubiger Druck. Schaeffler hat schon Firmenanteile verpfändet. Der Wert der Conti-Papiere ist nach Finanzkrise und monatelangem Zwist der Akteure eingebrochen.

Während die Franken für das Gros der Conti-Aktien noch 75 Euro zahlten, sackte die Aktie am Montag nach Berichten über mögliche Staatshilfen um bis zu 28 Prozent auf 13,25 Euro ab: Continental war an der Börse noch zwei Milliarden Euro wert. Auch die Conti hat Schulden: Nach der Übernahme der Siemens-Tochter VDO sitzt man auf weiteren elf Milliarden Euro Miesen, allerdings ist das Unternehmen liquide.

„Da hat ein Mittelständler die verrückte Idee gehabt, einen Dax-Konzern zu kaufen“, sagt Stefan Homburg, Wirtschaftsprofessor an der Universität Hannover. „Schaeffler steht am Abgrund“, betont der Experte für öffentliche Finanzen und rät dazu, die Franken „gegen die Wand fahren zu lassen“. Das Problem sieht Homburg „in der öffentlichen Inszenierung“ einer Notlage durch die 39 Gläubigerbanken von Schaeffler: „Die wollen ihre Forderungen nicht abschreiben und machen Druck: Angeblich seien Jobs bei Continental in Gefahr.“ Davon geht Homburg nicht aus. Der Autozulieferer aus Niedersachsen hatte seit Jahren Gewinne eingefahren. Homburg: „Solange es rentabel ist, werden in Hannover Reifen produziert werden, egal von wem.“

Einen ersten Schritt aus dem Zuliefer-Debakel heraus hatten Conti und sein Großaktionär Schaeffler am Wochenende auf der Aufsichtsratssitzung getan: Die Conti-Gummi-Sparte mit weltweit 60.000 Beschäftigten, davon 7.500 in Hannover, soll rechtlich und organisatorisch aus dem Konzern herausgelöst und so auf einen Verkauf vorbereitet werden. Mit den Erlösen, bis zu sieben Milliarden Euro, könnte Schaeffler seine Gläubiger befrieden. Die Conti-Elektronik-Sparte mit Hauptstandorten in Hessen und Bayern könnte dann endgültig Teil des Schaeffler-Imperiums werden. Hier könnte sich das Land Bayern engagieren.

Mit dem Verkauf der „Rubber“-Sparte würde die Conti wieder zurück zu ihren Anfängen gehen. Dafür verantwortlich soll der am Wochenende entmachtete Aufsichtsratschef Hubertus von Grünberg sein. Er hatte einst die Wandlung der Conti vom Reifenproduzenten mit schwindenden Perspektiven zum breit aufgestellten Autoelektronikanbieter angestoßen.

Für die solide dastehende Gummi-Sparte soll der ehemalige Conti-Chef nun Investoren finden. Dass Niedersachsen selbst einsteigt, halten Insider für unwahrscheinlich. Eine Bürgschaft für einen möglichen Investor wird hingegen im Bereich des Möglichen gesehen. „Im Grundsatz ist das Instrument des Staates eine Bürgschaft, eine Garantie“, lässt sich Regierungschef Wulff zitieren. Und: „Um die wird es vermutlich gehen.“