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Archiv-Artikel

Wir geben uns die Kugel

Es ist Eiszeit: Im Sommer sind Kaltspeisen am Stiel, in der Waffel oder im Becher heiß begehrt. Aber Eis ist nicht gleich Eis. Was genau drin ist und die kulturelle Verpackung spielen eine große Rolle

von VOLKER ENGELS

In der Werbung winden sich Katalogschönheiten zu coolen Rhythmen und nuckeln lustvoll an phallischen Eistüten. Im Alltag sieht das weniger gestylt aus, dafür ist der Genuss echt – und auch beeindruckend: Pro Kopf wurden im letzten Jahr in Deutschland rund acht Liter Eis vernascht. Der Jahresumsatz von industriell hergestelltem Speiseeis betrug mehr als 2 Milliarden Euro.

Vier von fünf verkauften Eisportionen kommen nach Angaben der Markeneishersteller aus industrieller Produktion, knapp 15 Prozent werden in der Gastronomie oder in Eisdielen hergestellt. Eis ist nicht gleich Eis: Beim Wassereis liegt der Fettanteil – staatlich genormt – unter 3 Prozent; Milcheis muss einen Milchanteil von mindestens 70 Prozent haben; in Cremeeis sind zum Beispiel Eier enthalten. Doch das ist nur graue Theorie. Die Praxis sieht bunter aus und schmeckt auch so.

Die Inhaltstoffe ihres Eises kennt Sofie Bernau, Inhaberin von Berlins erster Bio-Eisdiele ganz genau. Immerhin 200 Kunden pro Tag, am Wochenende sogar bis 500, legen großen Wert auf eine Kaltspeise ohne künstliche Zusatzstoffe: „Wir verkaufen ausschließlich Eis mit Zutaten aus kontrolliert biologischem Anbau.“ In diesem Sommer sei „vor allem Mangoeis der absolute Renner“. Und der Geschmackstest überzeugt: Intensiv schmeckt und genauso leuchtet das Eis. „Bei Fruchteis in Bioqualität ist es besonders wichtig, dass die Früchte frisch und ausgereift sind“, sagt Bernau. Kinder, die ihre Eltern mitbringen, geben sich in der kleinen Kreuzberger Eisdiele die Türklinke in die Hand. Neben kalten Leckereien oder heißen Bagels mit Avocadocreme lockt auch die freundliche Atmosphäre Kunden. Vor dem Geschäft laden Bänke, bunte Tische und Kinderstühle zum Verweilen ein. „Wochentags kommen vor allem Kunden aus dem Kiez, am Wochenende finden Eishungrige aus der ganzen Stadt den Weg zu uns“, sagt Bernau. Auch Veganer kommen in der Bio-Eisdiele auf ihre Kosten: Mehrere der zehn Eissorten aus dem Sortiment enthalten weder Ei- noch Tiermilchprodukte. „Bis zur nächsten Kugel“ heißt es zum Abschied. Bestimmt!

Weniger familiär, dafür an prominentem Ort kommt das Eisgeschäft Caffè e Gelato am Potsdamer Platz daher. Rund 300 Gäste finden in der Eisdiele in den Arkaden Platz. Im Sommer können sie aus 35 Eissorten wählen, im Winter gibt es 28 Varianten. Die „Hauptsorten“ wie Vanille- oder Erdbeereis sind immer im Sortiment, andere wechseln. „Das Eis unterliegt einer Probezeit, in der wir testen, ob die Kunden es mögen“, sagt Roberto Pin, einer von vier Inhabern. „Im Moment läuft das Schokoladen-Butterkeks-Eis besonders gut.“ Hergestellt und entwickelt werde das Eis vor Ort im hauseigenen „Eislabor“. Neben den Zutaten sei es wichtig, dass bei der Herstellung „immer die Temperatur genau im Auge behalten wird“. Eine anspruchsvolle Aufgabe: Immerhin verkauft der Laden am Wochenende bis zu 1.200 Liter Eis am Tag.

Ein besonderes Eiskonzept verfolgt das Australian Homemade in der Friedrichstraße. Jeden morgen ab 8 Uhr rührt Theo Vermeulen mit seinen Mitarbeitern frisches Eis an, das ohne chemische Zutaten wie Stabilisatoren oder künstliche Farbstoffe auskommt. „Es gibt Kunden, die warten extra darauf, dass ihre Lieblingssorte endlich fertig angerührt ist“, erzählt der gebürtige Holländer. Denn auch Eis verliere mit der Zeit an Qualität. Neben der klassischen Eiscreme sei im Moment besonders das fruchtige Sorbet-Eis stark gefragt: „Wer etwas auf seine Figur achten muss, fährt mit Sorbet-Eis besser, weil weniger Fett enthalten ist“, sagt der Ladeninhaber. Abgesehen von Eis verkauft das Australian Homemade die Pralinen „Dreamers“, die es buchstäblich in sich haben: Mandeln, verschiedene Nusssorten, Früchte oder sogar Tee als Füllung sind geeignet, Suchtstrukturen auszubilden. Einfach lecker.

Auch das Auge wird bedient, die Pralinen sind mit Motiven von australischen Ureinwohnern verziert. Das Konzept der modern und aufwendig eingerichteten Eisdiele geht auf: Theo Vermeulen sucht schon nach Räumen, um einen weiteren Laden in Berlin aufzumachen. Denn die Hauptstadt, glaubt Vermeulen, passt gut zu der niederländischen Frenchise-Kette: „Die Stadt ist bunt, lebensfroh und multikulturell.“

Berliner BioEisdiele: Liegnitzer Straße 10, 10999 Berlin. Caffè e gelato: Potsdamer Platz, Arkarden Center. Australian Homemade: Friedrichstraße 96, 10117 Berlin