: Das Styling für den kleinen Hunger
Beim fünften „Walk of Fashion“ defilierten am Wochenende 110 Models in Berliner Designermode am Hackeschen Markt. Am Ende gab es für alle einen Becher Sekt und Bumsmusik, zu der man sich die Klamotten vom Leib riss
Letzten Samstag Love-Parade, diesen Samstag „Walk of Fashion“ – der Berliner Sommer macht was her, auch wenn der „DJ“ diesmal nicht „Motte“, sondern „Mode“ hieß. Das klingt auf Französisch ja auch so ähnlich.
Viele hundert Zuschauer, Fotografen, Passanten und ganz normale Touristen waren jedenfalls dabei, als zum fünften Mal etwa 110 „Models“, darunter 21 Männer und zehn Schwangere, von den Heckmannhöfen über die August-, Gips- und Oranienburger Straße und wieder zurück defilierten. Zweck der Eventveranstaltung war die Vorführung der neuesten Kreationen der Berliner Labels Suzie Dong, Kratzert/Pahnke, Harryet Lang, mia nana, Maria G. Rojas, Schaffhauser, Spitzenreiter und Tukadu sowie Whiteproudanstupid, dem „Newcomerlabel des Jahres“.
Später präsentierten internationale Hairstylisten des erneuten Hauptsponsors Kadus (u. a. verantwortlich für „slalom straight on flat & curl balm“) eine Hair-Fashion-Show. Das Motto von Kadus lautet unter anderem: „Stylen, worauf man gerade Hunger hat“; „Taste the trend“ und „Anti-Frizz is out“.
Doch der Reihe nach: In der Gormannstraße hörte man schon das nervöse Tippeln der Models, als von der Sophienkirche der sechste Glockenschlag verklang und sich der Modezug in Bewegung setzte. Am Anfang des Zuges machte eine bunt gekleidete Sambatruppe Musik, die wohl seit dem Karneval der Kulturen nicht mehr aufhören konnte.
Dann war da eine Frau mit einer etwa zwei Meter hohen Frisur wie Marge Simpson, nur nicht in Blau. Später kamen Männer in weißen Sachen, die an Bollywoodfilme erinnerten; diese Kleidung hatte sich Harryet Lang ausgedacht. Manche Frauen hatten sich auch badewannenartige Kleider umgeschnallt. Bei den Kleidern von Suzie Wong dachte man, das hätte man doch schon mal so ähnlich in Südostasien gesehen. Tatsächlich hieß die elegante, schwarze, tanz- und schwitzbare Kreation aus Stretch und Fleece „Chiang Mai“, so wie die berühmte Stadt im Norden Thailands – nur, dass auf der Rückseite der Hüte Christenkreuze aus Nieten zitiert wurden.
Bei der einen Frau vom Newcomer-Label whiteproudandstupid konnte man von schräg hinten den Busen angucken, was auf eine noch nicht völlig ausgereifte Verarbeitung schließen ließ. Am Ende des Zugs schritt eine Frau mit einer Frisur, die an Münchhausens Kanonenkugel erinnerte, aber was heißt „schritt“? Eigentlich rannten die 110 Models ja, eng gedrängt, ohne jeden Abstand zwischen den einzelnen Labels eilten sie viel zu schnell vorbei, als dass man genug Zeit gehabt hätte, die Feinheiten der Anziehsachen genauer anzugucken. In Rekordzeit hatten sie die Heckmannhöfe wieder erreicht, wo’s einen Becher Sekt für jeden gab, und auf einer Bühne tanzten, mit Bumsmusik unterlegt, gut gebaute Männer herum, fummelten an ihren Frisuren und rissen sich später die Hemden bzw. T-Shirts vom Leib. „Forever you and me“ sagte die Musik, und ein Beobachter in einem Hemd von Marc Jacobs sagte zu seiner Freundin, die was von Stella Mc Cartney trug: „Das ist ja ganz furchtbar!“
Später enthüllte sich „dies wahnsinnige Potenzial an Kreativität“ in „raffinierter Eleganz“ noch weiter, als nämlich die ganzen Kreationen noch einmal auf der Bühne laufstegten. Hellblümelige Sommernichtse von Kratzert/Pahnke posierten zum Sommerhit von den White Stripes, Tukadu präsentierte Perlenschmuckdesign zu Barry-White-Musik, Schwangerenmode gab’s von mia nana, und dazwischen verteilte ein weiß gekleideter Propagandachrist basic gestaltete Jesus-loves-you-Postkarten.
Zum Abschluss der tollen Modeschau meldete sich noch einmal der Coiffeur Civan Ucar zu Wort: Vor fünf Jahren hatte ich eine Vision. So kam ich zum „Walk of Fashion“, berichtete der Dr. Motte der Berliner Modewelt, bedankte sich beim Hauptsponsor Kadus für das Vertrauen und machte seiner Frau, die ihm letztes Jahr einen Sohn „geschenkt“ hat, einen Heiratsantrag. So ging ein weiteres Berliner „Spitzen“-Event dieses Sommers zu Ende.
DETLEF KUHLBRODT