quellende busenkunst von ILKE S. PRICK
:

„Es ist es doch nicht schlimm, der menschlichen Natur ein wenig auf die Sprünge zu helfen“, sagt meine Freundin und stochert im Putengulasch. „Wir essen ja auch genmanipulierte Tomaten.“ – „Wie kommst du darauf?“, frage ich konsterniert, denn schließlich hat sie gekocht. „Deswegen!“ Mit Schwung wirft sie eine Schachtel auf den Tisch. „Body Secrets“, flüstert sie, als wäre im Nebenzimmer das Hauptquartier der CIA. Sie öffnet die Schachtel und, plöpp, klatschen zwei Plastikbeutel neben den Salat. Durchsichtig, glibberig. Ich denke an 1978 und an ein Schultreppenhaus, in dem mehrere Dosen Slime schmatzend den Weg über das Treppengeländer nahmen.

„Was ist das?“, frage ich und bringe meinen Nachtisch in Sicherheit. „Na, Body Secrets eben“, wiederholt meine Freundin. „Aber was zum Henker ist das?“ Ich hasse ihre Ratespiele. „Schummelhilfe.“ Sie grinst. „Hä?“ – „Kunstbusen“, setzt sie nach, „aber das hört sich nicht nett an. Silikon eben.“ Obszön wiegt sie eines der Glibberkissen in ihren Händen. „Silikon? Was willst du denn damit?“ Ich sehe mich am Küchentisch, bewaffnet mit dem Sushimesser bei einer kleinen OP. „Man kann es in den BH unter den Busen legen und dann – uiuiui!“ Sie schaut ekstatisch. „Und was heißt uiui?“ Von Ekstase bin ich weit entfernt. „Es heißt, dass der Busen schön üppig über den BH quillt. So hat es jedenfalls die Verkäuferin versprochen.“ – „Und dir gleich einen neuen BH eine Nummer größer angedreht?“

Was ist nur los? Mit Grausen erinnere ich mich an Nachmittage vor Umkleidekabinen, als meine Freundin beschlossen hatte, dass jetzt die Zeit für BHs gekommen sei. An Vorträge von Unterwäschefachverkäuferinnen über Brustumfang und Körbchengröße, über Passformen und Zauberkreuze. Und jetzt sollte es doch herausquellen? War denn alles umsonst gewesen? Oder sind wir hier nur bei „Gefährliche Liebschaften“, und ich esse mit Glenn Close?

Ungläubig reibe ich an einem der Glibberkissen. „Aber wenn dir mal“, ich kenne meine Freundin gut, „Asche ins Dekolleté fällt und – peng?“ Sie sieht mich entsetzt an, als ich fortfahre: „Na ja, stabil sehen sie nicht aus. Doch vielleicht denkt dann jemand, er müsste erste Hilfe leisten, mit Mund-zu-Mund-Beatmung und so. Da würde es sich vielleicht lohnen.“ Ihre Augen werden so groß wie ihre glitschigen Geheimnisse, und ich verzichte lieber darauf zu demonstrieren, wie es sich anhört, wenn die Dinger beim Ausziehen auf das Parkett klatschen. Ich hoffe nur, sie ist dann allein zu Haus.

„Das Gulasch war wirklich lecker.“ Diplomatisch versuche ich, das Thema zu wechseln. „Wusstest du eigentlich, dass sie jetzt Puten mit extra großer Brust züchten? Die kippen zwar nach vorn, aber so rentiert sich zumindest Massentierhaltung. Da können sie sich gegenseitig stützen.“ Meine Freundin schweigt. Sie schiebt die rote Schleife zurück auf den Karton und überreicht ihn mir. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ Ich schlucke. Body Secrets. Soll das etwa heißen, dass bestimmte Geheimnisse bei mir ganz gut aufgehoben sind?