: Flucht nach vorn
Der Herzberger Bürgermeister Gerhard Walter (CDU) geht in die Offensive: Nach der Kritik an seiner vor kurzem bekannt gewordenen Haltung im Fall des Nazis Hermann Muhs wittert er einen Verstoß gegen Amtsverschwiegenheit
Die Sache selbst versuchte Herzbergs Bürgermeister Gerhard Walter (CDU) gar nicht abzustreiten: dass er eine öffentliche Aufhebung der Ehrenbürgerschaft des Nazis Hermann Muhs für unnötig hält. Es ärgert ihn nur, dass seine Haltung in der Sache aus einem internen Schreiben in die Medien gelang. Nun sucht der ehemalige Kriminalbeamte den Schuldigen und wittert einen „Verstoß gegen die Amtsverschwiegenheit“.
Vor knapp 12 Tagen war Walters verneinende Haltung zu der posthumen Aberkennung der Ehrenbürgerschaft von Muhs, der ab 1933 Regierungspräsident in Hildesheim war, bekannt geworden. Das vertrauliche Schreiben gelangte bis zur taz. In der Stellungsnahme zu der nichtöffentlichen Verwaltungsausschusssitzung vom 14. Januar betonte Walter, dass seit der Verleihung doch „schon 70 Jahre vergangen“ seien. Eine Aberkennung würde aber „mit einem großen medialem Interesse“ verbunden werden, fürchtete Walter.
Der Rat sah es anders, auch seine eigene Partei. Mit Stimmenmehrheit von SPD und CDU wurde beschlossen, eine öffentliche Distanzierung von Muhs anzustreben – auch wenn nach der niedersächsischen Gemeindeordnung das Ehrenbürgerrecht mit dem Tod endet. Mit der posthumen Aberkennung wollte der Rat darüber hinaus ein politisches Zeichen setzen.
Diese politische Schlappe scheint Walter motiviert zu haben, einen Antrag in dem Verwaltungsrat der niedersächsischen Stadt vorzulegen, um die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens zu erreichen. Hinzu kam, dass nach den NDR- und taz-Berichten auch die Regionalpresse den Bürgermeister scharf zu kritisieren begann.
Der Antrag für den heutigen „nicht öffentlichen“ Verwaltungsausschuss liegt der taz vor. Darin macht Walter sogleich eine vermeintlichen Schuldigen aus: „Obwohl Ratsherr Ilyas Cangöz aus der Partei Die Linke an der entsprechende Sitzung des Verwaltungsausschuss nicht teilgenommen hat, bekam er, wie alle Herzberger Ratsmitglieder, die Mitteilungsvorlage zugesandt“. Als weiteres Indiz dafür gilt ihm, dass sich in einem NDR-Bericht auf einen „Ratsabgeordneten der Linkspartei“ bezogen wurde. Weitere vermeintliche Indizien führt er nicht an.
Am Abend muss der Rat über den Antrag zu dem „Bruch der Amtsverschwiegenheit“ entscheiden. Die Weitergabe der „vertraulichen Vorlage“, so Walter, stelle nach Paragraph 25 der niedersächsischen Gemeindeordnung ein „ordnungswidriges Verhalten“ dar. Die Ermittlungen solle die Verwaltung führen, erklärt er in der „Mittelungsvorlage“. Nach der Gemeindeordnung kann ein ordnungswidriges Verhalten zu einer hohen Geldbuße führen. ANDREAS SPEIT