: Verwirrung in Krisenzeiten
Noch hat die Finanzkrise die Kulturinstitutionen nicht erreicht. Mit einer Ausnahme: In der Hamburger Kunsthalle klagte man über den Abzug von Leihgaben – übersah aber offenbar, dass der mit der Krise nichts zu tun hat
Es war eine Nachricht, die was hermachte. „Finanzkrise: Kunsthalle verliert Dauerleihgaben“ meldete am Dienstag der Sender NDR 90,3. Der Direktor der Hamburger Kunsthalle Hubertus Gaßner habe dem Sender gesagt, dass viele private Sammler ihre Leihgaben derzeit zurückforderten. „Also, es sind immer Einzelfälle, aber das geht dann manchmal von heute auf morgen, Dinge, die fünf Jahre im Haus waren oder zehn Jahre, dann kommt ein Anruf, bitte einpacken, morgen muss es da und da sein“, sagte Gaßner dem Sender. Und war danach zu einer Stellungnahme gegenüber der taz nicht bereit.
Das klang spektakulär. Ebenso wie Gaßners Aussage über ausbleibende Sponsorengelder: Es seien vor allem die Banken, die sich entweder ganz zurückzögen oder das Museum nur noch mit wesentlich kleineren Beträgen unterstützten.
Zumindest die ausbleibenden Sponsorengelder sind keine neue Sorge. Beim Sponsoring können Unternehmen schnell und unkompliziert sparen. Allerdings spielt das Kultursponsoring in Deutschland nur eine marginale Rolle: Im Schnitt machen die privaten Mittel aus der Wirtschaft gerade mal fünf Prozent an den Gesamtbudgets öffentlicher Kultureinrichtungen aus, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann. Der Rest setzt sich zusammen aus Zuwendungen durch den Staat, die rund 90 Prozent ausmachen, sowie aus Eintrittsgeldern und Spenden.
Die Hamburger Kunsthalle wird also derzeit durch die Finanzkrise keineswegs in ihren Grundfesten erschüttert. Wenn Sponsoren ausbleiben, könnte es höchstens sein, dass die eine oder andere Sonderausstellung nicht zustande kommt. Das wäre bitter, es würde Attraktivität und damit Besucherzahlen schmerzlich schmälern. Aber es wäre kein existenzielle Frage.
Und es wäre gegen den Trend: Die Kieler Kunsthalle und das Sprengel-Museum in Hannover hätten derzeit keinerlei Probleme mit Sponsoren, heißt es dort. Der Direktor der Bremer Kunsthalle, Wulf Herzogenrath, sagt sogar: „Im Moment kann ich nur ein Loblied singen auf privates Engagement.“ Was wiederum an der speziellen Struktur in Bremen liegt: Dort wird die Kunsthalle maßgeblich von einem privaten Kunstverein mit rund 7.500 Mitgliedern unterstützt.
Was der Deutsche Kulturrat wirklich fürchtet, ist der Moment, in dem die öffentlichen Haushalte über Sparmaßnahmen nachdenken müssen, um die Kosten der Konjunkturpakete wieder hereinzuholen. Ausbleibende Sponsorengelder seien da nur der Vorbote, sagt Zimmermann. „Wir stehen ganz am Anfang eines riesigen Problems.“
Das man sich am Dienstag in Hamburg bildlich vorstellen musste in Form hektisch abgezogener Leihgaben. Aber ganz so schlimm ist es dann doch nicht: Aus der zur Kunsthalle gehörenden, mit vielen Leihgaben gefüllten Galerie der Gegenwart sei bislang kein Bild zurückgefordert worden, sagt deren Leiterin Sabrina van der Ley im Widerspruch zu Kunsthallen-Direktor Gaßner. Lediglich die Sammlung Scharpff sei – wie vor zehn Jahren vereinbart – auf dem Weg zurück in die Staatsgalerie Stuttgart. Allerdings hätten Museen aus den USA und Italien ihrerseits Leihanfragen an die Kunsthalle zurückgezogen, „weil sie die entsprechenden Ausstellungen nicht finanzieren konnten“. Das sei durchaus Indiz der Finanzkrise. Im Übrigen aber, so van der Ley, „wäre es derzeit nicht sinnvoll, Bilder zurückzufordern, um sie schnell gegen Cash zu verkaufen. Denn auch für Kunst dürfte man in diesen Krisenzeiten denkbar niedrige Preise erzielen.“ KLI/PS