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Archiv-Artikel

versammlungsfreiheit Bürger, schützt eure Anlagen

Erinnerungsorte wie das künftige Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin haben es an sich, auch alles mögliche völkisch-braune Gesindel anzuziehen. Die hohe symbolische Bedeutung garantiert öffentliche Aufmerksamkeit. Hiergegen mit einer Verschärfung des Versammlungsgesetzes vorzugehen, wie es ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums laut „Spiegel-Online“ vorsieht, ist allerdings ein gefährliches, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit viel zu weit einschränkendes Unterfangen.

KOMMENTARVON CHRISTIAN SEMLER

Versammlungen unter freiem Himmel können laut Versammlungsgesetz verboten oder mit Auflagen versehen werden, wenn sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden oder wenn sie Strafgesetze verletzen. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach geurteilt, dass die im Versammlungsgesetz genannten Einschränkungen seitens der Behörden nicht beliebig ausgedehnt werden können, etwa durch Überdehnung des Begriffs der „öffentlichen Ordnung“. Schilys Entwurf nun will Orte mit „eindeutiger Symbolik“ und „nationaler Bedeutung“ auf der gleichen Ebene für schutzwürdig erklären wie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Eine solche Interpretation nimmt den Kerngehalt des Grundrechts auf die leichte Schulter. Zudem kaschiert der Entwurf nur mühsam den Verdacht, es handele sich um ein Spezialgesetz von verfassungsmäßig zweifelhafter Qualität.

Völlig unakzeptabel ist die Idee aus dem Hause Schily, generell Versammlungen zu verbieten, welche das NS-Regime oder andere Gewalt- und Willkürherrschaft oder terroristische Straftaten und Vereinigungen im In- oder Ausland verherrlichen oder verharmlosen, wenn dies den öffentlichen Frieden stört. Ein schier unüberschaubares Feld für polizeiliche Aktivitäten tut sich hier auf, eine Generalklausel, bei der noch jeder Terrorexperte in öffentlicher Rede auf der Hut sein muss, sich nicht durch übermäßige Objektivität dem Vorwurf der Verharmlosung auszusetzen. Was er auch immer bedeuten mag, der „öffentliche Friede“, in den Augen der Obrigkeit ist er schnell gestört.

Für die Einschränkung der Versammlungsfreiheit sind die bestehenden Regelungen ausreichend. Darüber hinaus ist gegenüber demonstrierenden Nazis wie terroristischen Fundamentalisten vor allem gesellschaftliche Gegenwehr angezeigt. Es sind die Bürger, die ihre Anlagen schützen müssen, auch ihre Mahnmale.