Gift im Ei: Schuldige gesucht

Seit gestern steht fest: Ein sächsisches Mischfutterwerk lieferte 1.269 Tonnen PCB-verseuchtes Tierfutter aus. Wer aber Verursacher, wer zuständig ist, ob die Verseuchung anhält und in die Lebensmittel geriet – das und alles andere ist unklar

VON NICK REIMER

Praktisch funktioniert das so: Geht ein Tanklastzug mit Pflanzenöl auf die Reise, werden zwei identische Proben entnommen. Die eine bleibt beim Hersteller, die andere geht zur Lieferadresse. Bei eigenen Qualitätskontrollen hatte das sächsische Mischfutterwerk die PCB-Verseuchung festgestellt und sich selbst angezeigt. „A- und B-Probe identifizieren die hessische Lieferadresse eindeutig als Quelle“, so der Sprecher des sächsischen Agrarministeriums Dirk Reelfs. Sachsen habe Hessen die Ergebnisse mitgeteilt. „Damit ist die Sache für uns erledigt“, so Reelfs.

Und das ist das Groteske an diesem Fall: „Sowohl die hier verbliebene als auch alle anderen in beim Pflanzenölproduzenten gezogenen Proben sind negativ“, erklärt Helmut Weinberger, der Sprecher des hessischen Landwirtschaftsministeriums. Der Betrieb sei überprüft, die Sache für die Hessen damit abgeschlossen. Weinberger: „Sachsen ist zuständig.“

Das Bundesverbraucherministerium ist äußerst unzufrieden mit diesem „Gegenseitig-den-Ball-Zuschieben“. Staatssekretär Alexander Müller fordert: „Die Ursache dieser Vorfälle muss unbedingt aufgeklärt werden.“ Wegen der föderalen Struktur hat das Ministerium keine Weisungsbefugnis. „Wir müssen wissen, wie der Eintragsweg aussieht, um die Dimension des Problems eingrenzen zu können“, so Müller zur taz. Bernhard Kühne, zuständiger Abteilungsleiter im Ministerium, sagt: „An irgendeinem Punkt ist hier etwas falsch.“ Nach allen ihm vorliegenden Daten gebe es keine andere Verschmutzungsquelle als den hessischen Pflanzenöllieferanten.

Der Fall wird umso verworrener, als das Bundesumweltministerium letzte Woche erklärte: „PCB-Ausstieg in Deutschland fast abgeschlossen“. Wegen seiner Gefährlichkeit hatte die EU 1996 eine PCB-Richtlinie erlassen, nach der die giftige Chemikalie spätestens 2010 komplett entsorgt werden sein muss. Wegen seiner guten Isolier- und Kühleigenschaften waren PCBs als Transformatoröle, Hydraulikflüssigkeiten, aber auch in Lacken verwendet worden. Erst Massenvergiftungen durch Lebensmittel – etwa 1968 in Japan, 1979 in Taiwan – machten die Substanzen zu Umweltgiften. „Vor rund zehn Jahren waren noch mehr als 300.000 Tonnen PCB-haltiger Geräte und Flüssigkeiten zu entsorgen. Heute sind davon mehr als 99 Prozent entsorgt“, erklärt Michael Schroeren, Sprecher des Bundesumweltministeriums.

Wenn dem so ist: Woher kommen die PCBs, und wie gelangten sie ins Futtermittel? Ist die Quelle immer noch aktiv? „Das wüssten wir auch gerne“, so Uwe Petersen, Tierfutter-Referatsleiter im Bundeslandwirtschaftsministerium. Nach seiner Erkenntnis seien beim Pflanzenöl-Produzenten nicht mehr alle Proben vorhanden, um das lückenlos zu klären. Zudem sei die Laboranalyse schwierig. Er gehe davon aus, dass vom PCB-verseuchten Futtermittel keine Gesundheitsgefahr für Verbraucher ausgehe, so Karltheodor Huttner vom sächsischen Sozialministerium: „Gewissheit werden wir aber erst haben, wenn die Probenergebnisse der Landesanstalt vorliegen“.