: Viele Tote bei Anschlägen im Irak
Kurz vor der Machtübergabe an die neue Interimsregierung kommt es zu koordinierten Angriffen und Kämpfen zwischen US-Truppen und Aufständischen in mehreren Städten. Allein in Mossul sterben 44 Menschen bei der Explosion von Autobomben
AUS BAGDADKARIM EL-GAWHARY
Seit Tagen wartet das Land auf den großen Schlag vor der Machtübergabe am 30. Juni. Nach mehreren relativ ruhigen Tagen war es gestern soweit. In den frühen Morgenstunden gab es fast zeitgleich Anschläge an fünf verschiedenen Orten. Das Ziel war fast immer die irakische Polizei, die ab Ende des Monats die Sicherheitsaufgaben in den Städten von den US-Truppen übernehmen soll.
Die vorläufige Bilanz des blutigen Tages: In der Stadt Mosul kamen nach Angaben des irakischen Gesundheitsministeriums bei einer Serie von Autobomben mindestens 44 Menschen ums Leben, 216 wurden verletzt. Bei Angriffen auf Polizeistationen in den Städten des sunnitischen Dreiecks Bakuba, Falludscha und Ramadi starben mindestens 22 Menschen. Vier Mitglieder der irakischen Zivilverteidigung starben durch eine Autobombe in Bagdad. Unter den Toten befinden sich auch mindestens drei amerikanische Soldaten.
Unklar ist, wer hinter den Angriffen steckt. In einer Erklärung im Internet zeichnet Abu Musaab al-Sarkawi, die angebliche Nummer eins al-Qaidas im Irak, zumindest für die Angriffe in Bakuba verantwortlich. Die Einwohner der Stadt sollten in ihren Häusern bleiben, da es in den nächsten Tagen weitere Attacken gegen die Besatzungstruppen und jene gebe, die mit ihnen kooperieren, heißt es in der Erklärung. Arabische Fernsehstationen berichten, schwarz maskierte Männer hätten in Bakuba eine Straße unter ihre Kontrolle gebracht und eine lokale Polizeistation mit Panzerfäusten angegriffen. Dabei sollen sie immer wieder ihre Zugehörigkeit zu der Gruppe al-Tauhid wa al-Dschihad bekundet haben, als deren Anführer Sarkawi gilt. Auch eine Patrouille der US-Armee wurde angegriffen. Dabei kam es zu mehrstündigen Straßenschlachten zwischen den Aufständischen, den irakischen Polizisten und den US-Truppen. Nach amerikanischen Angaben starben dabei zwei US-Soldaten, sieben weitere wurden verwundet. Die USA antworteten mit dem Abwurf mehrerer 225-Kilo-Bomben auf vermeintliche Stellungen der Aufständischen.
In Ramadi westlich von Bagdad wurden ebenfalls drei Polizeistation von schwarz maskierten Männern mit Panzerfäusten angegriffen. „Wir saßen in der Qatana-Polizeistation und wurden von allen Seiten angegriffen“, erzählt Polizeioffizier Ahmad Sami. Er bestätigt die völlige Zerstörung einer benachbarten Polizeistation und eines weiteren Regierungsgebäudes in der Stadt.
Auch in der Rebellenhochburg Falludscha, die in den letzten Wochen mühevoll auch mit Hilfe einer neuen irakischen Brigade befriedet worden war, brachen Kämpfe aus. Von den Moscheen der Stadt wurden die Einwohner aufgerufen, sich an den Anfang Mai ausgehandelten Waffenstillstand mit den Amerikanern zu halten.
US-Truppen rückten in Richtung Falludscha vor. Man habe nur „auf Angriffe von Aufständischen reagiert“, heißt es aus Kreisen der dort stationierten Marines. Bei den Kämpfen soll nach Angaben von Augenzeugen auch ein US-Kampfhubschrauber abgeschossen worden sein. Die US-Armee sprach von einer „Notlandung“.
Die Einwohner Bagdads befürchten nun, dass sich die Kämpfe in den nächsten Tagen auch auf die irakische Hauptstadt ausweiten werden.