: Staaten künftig machtlos
Der Gesetzentwurf zur besseren Kontrolle der Wall Street kann nach hinten losgehen: Immerhin dürfen die Staaten ihre Generalstaatsanwälte nicht mehr ermitteln lassen
NEW YORK taz ■ Der Backlash gegen Eliot Spitzer hat begonnen. Erst vor zwei Monaten konnte sich der hartnäckige New Yorker Generalstaatsanwalt auf die Fahnen schreiben, dass er ein Verfahren gegen die größten Investmentbanken auf der Wall Street, die geschönte Aktienbeurteilungen abgegeben haben sollen, immerhin zu einem Milliardenvergleich geführt hatte. Nun sollen er und seine Kollegen in anderen Staaten bei der Bekämpfung von einseitigen Aktienkaufempfehlungen, Bilanzfälschungen und anderen Formen von Anlegerbetrug aus dem Spiel sein. Ein Gesetzentwurf zum Thema Anlegerschutz, der im US-amerikanischen Kongress zurzeit seine Runden macht, soll den staatlichen Aufsichtsbehörden von Maine über Florida bis nach Kalifornien die Überwachung und Bestrafung von Wall-Street-Firmen in Zukunft viel schwerer machen.
Bereits vor zwei Wochen hat ein Unterausschuss des einflussreichen House Financial Services Committee dem Gesetzentwurf zugestimmt. Jetzt kommt es zu einer Debatte unter der Leitung von Michael Oxley, einem bankenfreundlichen Republikaner aus Ohio, der das Financial Services Committee leitet.
Oberflächlich betrachtet hat der Gesetzentwurf eine nachvollziehbare Stoßrichtung: Er soll der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde SEC mehr Macht geben, damit diese die Anleger zukünftig mit schärferen Regeln vor Betrug auf der Wall Street schützen kann. Das Problem ist allerdings: Gleichzeitig sollen die einzelnen Staaten keine Gesetze mehr erlassen dürfen, die von den bereits erstellten Richtlinien der SEC und der Aktienmärkte abweichen.
Die Staaten reagierten darauf empört. Sollte es zu dem Gesetz kommen, könnten sie Wertpapierhändler noch nicht einmal zu einer besseren Beschreibung der Anlagen verpflichten, die sie an Investoren verkaufen wollen. Selbst die neue Regel, dass Wall-Street-Firmen ihre Wertpapieranalysen von dem Investmentbanking-Geschäft trennen müssen, hätte nach diesem neuen Gesetzentwurf wohl kaum eine Chance gehabt – sie war keine Idee der SEC, sondern kam aufgrund von Spitzers hartnäckig und öffentlichkeitsintensiv betriebenen Ermittlungen zustande.
„Diese Handlung zerfetzt eine der fundamentalen Schutzvorrichtungen, die Anleger gegen Betrügereien haben. Sie ist ein Angriff auf 75 Prozent aller Amerikaner, die Aktien besitzen“, sagte Spitzer.
Die Befürworter des Gesetzentwurfes sehen die Dinge allerdings ganz anders. Für sie muss das Gesetz den nationalen Aktienmarkt vor Änderungen schützen, die von einzelnen Staaten gemacht werden. Man wolle schließlich nicht, dass „der große Markt in viele kleine zerstückelt“ werde. Da wäre es besser, der SEC mehr Macht zu geben, damit diese in Zukunft schärfer durchgreifen kann. Dazu gehöre auch, dass sie sich im Betrugsfall zukünftig Eigentum wie teure Autos und Villen aneignen können müsse.
Doch die staatlichen Behörden bleiben skeptisch und verweisen darauf, dass sie oft die Ersten sind, die einem Betrug auf der Wall Street auf die Schliche kommen. Das war schon Mitte der 90er-Jahre so. Damals mussten staatliche Behörden viele der so genannten Penny-Stock-Firmen schließen, die wertlose Aktien an Anleger verkauften. Außerdem habe die SEC während des Börsenboom nichts unternommen, um Anleger vor der Irreführung durch Analysten zu warnen.
Erst die Untersuchung von Spitzer hat die miesen Machenschaften der Wall-Street-Firmen an die Öffentlichkeit gebracht. Sein Ziel war, Kleinanleger zu schützen und die Integrität des Aktienmarktes wiederherzustellen. „Der Vorschlag, die Staaten auszuschließen, ist besonders unverschämt, weil die bundesstaatlichen Behörden und der Kongress es versäumt haben, gegen den weit bekannten Betrug vorzugehen“, so Spitzer. Das Resultat war, dass die Staaten die Führung übernehmen mussten, um wesentliche Reformen durchzuführen.
HEIKE WIPPERFÜRTH