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Archiv-Artikel

Erben verpflichtet

Das Gerhard Marcks Haus klagt gegen die Stadt Bremen. Als Antwort kam eine 23-prozentige Etatkürzung. Vom Kulturressort wird die jedoch lediglich als legitime Mittelrückforderung bezeichnet

Christian Marcks: „So lange mein Großvater lebte, ist die Stadt ihren Verpflichtungen nachgekommen.Danach nicht mehr“

Das Gerhard Marcks Haus klagt gegen die Stadt Bremen. Begründung: Die Stadt erfülle nicht die Verpflichtungen, die sie innerhalb der gemeinsam mit Marcks und dem Kunstverein gegründeten Museumsstiftung eingegangen sei. Was auch bedeutet, dass Wirtschaftssenator Hartmut Perschau und seine Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann – langjährige Mitglieder des Stiftungsvorstands – gegen sich selbst klagen.

Eine neue Dimension in den chronischen Auseinandersetzungen um die Verteilung des Kulturhaushalts? Marcks Haus-Direktor Jürgen Fitschen sieht das juristische Vorgehen eher als Klärungsprozess: „Wenn im Vorstand keine Einigung erzielt werden kann, muss man eben eine externe Stelle entscheiden lassen.“ Die Klage sei unvermeidbar gewesen, weil der Wirtschaftsplan für 2004 wegen des Streits über die Zuschusshöhe nicht beschlossen wurde.

Der Bildhauer-Enkel Christian Marcks – ebenfalls Mitglied des Stiftungsvorstands – zeigt sich darüber „ausgesprochen erbost“. „So lange mein Großvater lebte, ist die Stadt ihren Verpflichtungen nachgekommen.“ Seit dessen Tod im Jahr 1981 aber habe sie beständig versucht, ihren Anteil herunter zuschrauben. Marcks: „Die Arbeit musste zunehmend mit Spenden finanziert werden.“ Das Budget des Marcks Hauses hatte in den vergangenen fünf Jahren ein Volumen zwischen 750 und 800.000 Euro, von der Stadt kommt mit 434.600 Euro etwas mehr als die Hälfte. Das Verhältnis zwischen der Größe des Hauses und der Zahl an privaten Förderern ist bemerkenswert: 1.900 Mitglieder sind im Freundeskreis des kleinen Museums organisiert. Der aber sei jetzt „ausgeblutet“, sagt Marcks – und für die Unterhaltungskosten auch gar nicht zuständig.

In der Stiftungsurkunde von 1969 – unterzeichnet von Hans Koschnick – heißt es pauschal: „Alle sich aus der Erfüllung des Stiftungszwecks ergebenden laufenden Kosten sind zu tragen.“ Marcks hatte damals seinen gesamten künstlerischen Nachlass in die Bremer Stiftung eingebracht: 400 Plastiken, 1.000 Druckgrafiken und 12.000 Handzeichnungen. Aktueller Marktwert: rund 35 Millionen Euro. Im Gegenzug war die Erforschung und Präsentation des Werkes, inklusive seines „kunstgeschichtlichen Umfeldes bis in die Gegenwart hinein“ garantiert worden.

Hintergrund der jetzigen Auseinandersetzung ist unter anderem die Entwicklung des Marcks Hauses von einer auf den Namenspatron fixierten Gedenkstätte hin zu einem umfassenderen Bildhauermuseum. Diese Erweiterung des Stiftungszwecks sei einvernehmlich beschlossen, betont Fitschen. Seit 1987 beinhalte der nämlich auch die „Darstellung, Erforschung und Präsentation der gesamten Bildhauerkunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart“.

Strittig ist nun, ob die Stadt zu haushaltsbedingten Kürzungen berechtigt ist, wobei der Teufel offenbar in den Details des Stiftungsrechts steckt. Das Marcks-Haus leitet aus seinem Status als privatrechtliche Stiftung ab, „kein Zuwendungsempfänger“ Bremens zu sein – im Gegensatz also zum Focke- und Übersee-Museum, die von Stiftungen des öffentlichen Rechts unterhalten werden. Das Kulturessort hingegen ist der Auffassung, auch die Zahlungen ans Marcks Haus unterlägen den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung. Von daher müsse „Rücksicht auf die Verhältnisse des geldgebenden Stifters“ – also der Stadt – genommen werden.

Neben pauschalen Haushaltskürzungen um 2,3 Prozent und der Verweigerung des Inflationsausgleichs sei ihm Anfang des Jahres allerdings auch eine „individuelle Kürzung“ um stolze 23 Prozent zugestellt worden, berichtet Fitschen. Eine Retourkutsche aus dem Kulturressort? Die Kürzung stehe definitiv in Zusammenhang mit der Klage, sagt Fitschen. Ressortsprecher Helge Rehders hingegen sieht den Wegfall der rund 100.000 Euro als Ausgleich für Ende 2003 vorgeschossene Mittel. Laut Marcks wiederum waren die Zusatzmittel unerlässlich, weil das Museum sonst im vergangenen November hätte schließen müssen.

Die Entscheidung des Landgerichts wird Anfang kommenden Jahres erwartet. Bekäme das Marcks Haus in vollem Umfang Recht, könnte das einen erheblichen Mittel-Zuwachs zur Folge haben. Bei einem abschlägigen Urteil hingegen sieht Fitschen den Bestand des Museums in seiner derzeitigen Form gefährdet. Zugleich hätte das Urteil Präzedenzcharakter. In Bremen beträfe es insbesondere die Weserburg: Auch das Museum für Gegenwartskunst beruht auf einer privatrechtlichen Stiftung.

Henning Bleyl