: Gericht reißt neue Löcher in Sparstrumpf
Urteil stoppt Sarrazin: Die Kappung der Wohnungsbauförder-Millionen ist nicht zulässig. Berlin muss in alter Höhe weiterzahlen. FDP: Finanzsenator muss zurücktreten! Es droht finanzpolitisches Desaster und Makulatur des Haushalts
Berlin wird auch in Zukunft viel Geld für die Subventionierung der öffentlich geförderten sowie seiner landeseigenen Wohnungen berappen müssen. Das Oberverwaltungsgericht entschied nach einer Klage der Wohnungsbaugesellschaft Sistra GmbH, dass die Anschlussförderung für die Wohnungen weiter in alter Höhe gezahlt werden muss. Das Gericht schob damit dem Ansinnen des Senats, aus der Förderung auszusteigen und langfristig die Unterstützung von rund 25.000 Wohnungen einzustellen, einen Riegel vor. Zugleich bedeutet dieser Gerichtsbeschluss, dass dem Land geplante Einsparungen verloren gehen. Ein Kernstück der Haushaltssanierung von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sei damit „wohl Makulatur“, sagten am Freitag FDP und CDU. FDP-Fraktionschef Martin Lindner forderte gar den Rücktritt Sarrazins, da dieser entgegen Warnungen aus der eigenen Partei, den Wohungsbaugesellschaften und der IHK den Ausstieg durchgesetzt hatte.
Der Beschluss des Gerichts bedeutet, dass das Land dem Unternehmen die finanziellen Hilfen zu den laufenden Aufwendungen für die im sozialen Wohnungsbau errichteten Mietwohnungen in Höhe von monatlich rund 7.600 Euro zahlen muss. Die Entscheidung hat darüber hinaus Gewicht für alle anderen Wohungsbaugesellschaften, die sich ebenfalls gegen die sofortige Kappung der Subventionen gewehrt hatten – und nun weiter Geld erhalten.
Der Finanzsenator hatte im Frühjahr den Sofortaussteig der teuren Wohungsbauförderung gegen Warnungen aus der Wohnungswirtschaft, aber auch gegen Senatskollegen – darunter Bausenator Strieder – durchgepeitscht. Mit der Streichung der Subventionen für den sozialen Wohnungsbau wollte Sarrazin im kommenden Jahr 42 Millionen Euro einsparen, 2005 sogar auf 100 Millionen Euro kommen. Mittelfristig sollte der Landeshaushalt um über 1 Milliarde Euro entlastet werden.
Bausenator Strieder kommentierte gestern die Gerichtsentscheidung säuerlich. Für das von Schulden gedrückte Berlin stelle sich nun eine „schwierige Situation“ dar. Dennoch müsse nach einem „Kompromiss“ zwischen Land und Wohnungsgesellschaften gesucht werden, „auch wenn dabei nicht die maximale Einsparung erzielt wird“, sagte er.
Martin Linder kommentierte das Urteil als „Super-GAU“ für den Finanzsenator. Lindner: „Sarrazin mus zurücktreten.“ Die Expertenkommission zur Anschlussförderung habe empfohlen, einen Ausstieg aus der Wohnungsbauförderung im Wege öffentlich-rechtlicher Verträge mit objektbezogenen Vereinbarungen herbeizuführen. Sarrazin habe dagegen einen sofortigen Ausstieg auch gegen seine Senatskollegen „va banque“ durchgezogen.
Der CDU-Bauexperte Ralf Reppert betonte, dass damit der Haushaltsentwurf des Senats zu platzen drohe. Jetzt kündige sich ein „finanzpolitisches Desaster“ an. Er forderte den Senat auf, Verhandlungen mit den Wohnungsunternehmen aufzunehmen. Es müsse individuelle Vereinbarungen geben. Auch eine Umschichtung der Wohnungsbaukredite sei möglich. ROLA