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Archiv-Artikel

IM KONFLIKT ZWISCHEN INDIEN UND PAKISTAN IST PRAGMATISMUS MÖGLICH Technokrat steht für Handel statt Händel

Am gleichen Tag, an dem in Delhi nach acht Jahren die ersten Gespräche zwischen Indien und Pakistan stattfinden, tritt im benachbarten Islamabad die Regierung zurück. Das mag Zufall sein. Dass die pakistanische Regierung an einem Tag zurücktritt, an dem seit Monaten geplante Gespräche beginnen, ist der mangelnden Routine der Institutionen geschuldet. Dennoch wirft die Koinzidenz beider Ereignisse die Frage auf, ob eine neue Regierung den Friedenskurs positiv oder negativ beeinflusst. Für Indien, wo seit dem Januartreffen zwischen Präsident Musharraf und Premierminister Vajpayee ebenfalls eine neue Regierung am Ruder ist, kann dies vorläufig verneint werden. Die Kaschmirpolitik gehorchte dort bisher einem überparteilichen Konsens. Auch für Pakistan wird es keine Kehrtwende geben, denn dessen Außenpolitik wird im Präsidentenpalais gemacht.

Allerdings lässt Musharrafs Wahl des Nachfolgers für den abgesetzten Regierungschef aufmerken. Shaukat Aziz ist kein herkömmlicher Politiker wie Jamali, der im dichten Gestrüpp von stammesrechtlichen und autoritären, religiösen und demokratischen Strömungen groß geworden ist. Aziz war bei der Citibank in New York beschäftigt, als ihn Musharraf zum Finanzminister ernannte. Seine jüngste Berufung zum Regierungschef ist ein Signal, dass der Präsident – und mit ihm die Armee? – neue Prioritäten setzen will. Anstatt an die Loyalität gegenüber Religion und Stamm zu appellieren, wird auf Wirtschaftswachstum gesetzt.

Dies kann ein positives Zeichen sein. Denn eine Nation, die Armut beseitigen und Wohlstand auf ihre Fahnen schreiben will, wird mehr Lust auf Handel als kriegerische Händel mit dem Nachbarn zeigen. Wohlstand und kulturelle Ängste schließen sich allerdings nicht aus. Dies gilt gerade für Pakistan, ein Land, in dem die jahrzehntelange Förderung eines islamistischen Untergrunds gesellschaftliche Modernisierung zu einem Ding des (amerikanischen) Teufels gemacht hat. Ob also technokratische Rationalität tief sitzenden Ängsten das Wasser wird abgraben können, ist zumindest zweifelhaft. BERNARD IMHASLY