: Das Feuer ist aus
Der berühmte Ringofen in Glindow hat seine Produktion eingestellt. Ob ein Investor für die insolvente Ziegelei gefunden wird, ist offen. Einst rauchten hier neun Rundöfen – für die Ziegel zum Bau Berlins
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Seit ein paar Tagen ist es in der Glindower Alpenstraße so ruhig wie auf einer richtigen Alm. Das zischende, rhythmische „Klack, klack, klack“, das von der alten Ziegelei am Glindowsee bei Potsdam zu hören war, hat aufgehört. Es fehlt in der Stille, die seit 136 Jahren von dem Geräusch herabfallender Kohle in den Ofen durchbrochen worden war. Jetzt hört man dafür Ruderschläge von Freizeitfischern in ihren Booten oder das Kreischen der Reiher, wenn diese über den kleinen Höhenzug der „Glindower Alpen“, der der Straße den Namen gab, abheben. Aber man hört kein „Klack, klack, klack“ mehr.
Es war ein langer Kampf, den die berühmte Ziegelei und Backsteinfabrik um ihr Überleben kämpfte – und jetzt vielleicht endgültig verloren hat. Der letzte historische Ringofen Europas, der nach dem Fall der Mauer am Glindowsee wieder richtig angeworfen wurde, glüht nicht mehr. Handgemachte Ziegel sind zu teuer. Die Produktion, sagt ein früherer Arbeiter, ist personalaufwändig, die schnell fabrizierende Konkurrenz in der Branche übermächtig. Und von den gelblichen Steinen für Denkmäler und historische Bauten allein und ohne Subventionen für die alten Anlagen lässt sich nicht überleben.
Noch vor einem Jahr war der denkmalgeschützte Ringofen mit viel Geld aus Spenden und mit privatem Engagement repariert worden. Die Ziegelei hatte ab 2002 eine Pause eingelegt, das Feuer in den 14 Brennkammern wurde gelöscht. Einige Kammerwände sowie Feuer- oder Rauchgaskanäle wurden aufwändig saniert. Im darauf folgenden Jahr warf die Ziegelei das Feuer wieder an, die Kohle kippte, „klack, klack, klack“, wieder in die Glut.
„Wir konnten wieder voll produzieren“, sagt Hans-Jürgen Wackermann, Geschäftsführer der Glindower Ziegelei, heute. Die ersten Steine gingen nach Spandau zur Rekonstruktion der Zitadelle. Doch die Unterbrechung der Produktion habe Kunden gekostet, die nicht mehr nach Glindow zurückgekommen sind. Große historische Klosterziegel, kleine normale Ziegel, Keramiken oder Backsteine für den Garten wurden nicht mehr rentabel nachgefragt, so Wackermann. Und wer hat schon mit dem alten Ofen eine Chance am Markt, fragt Wackermann rhetorisch und gibt dazu gleich die Antwort: „Doch wir nicht …“
Neben der Fabrik steht das kleine Ziegelmuseum, das die Geschichte Glindows samt seinen Ziegeleien erzählt. Dass die letzte Ziegelei nun plattgemacht werden soll, könne nicht sein, meint ein Besucher, die Brandenburger Wirtschaftsbehörde müsse helfen. Sonst verliere der Ort sein Gedächtnis.
In der Tat spiegeln der tortenförmige Ringofen und seine Arbeitsweise wie vor über hundert Jahren ein Stück Industriegeschichte der Region und für Berlin. Das industrielle Verfahren, das der Ziegelfabrikant Eduard Hoffmann 1856 entwickelte, um die steinerne Nachfrage der boomenden Residenz zu befriedigen, ermöglichte eine ganzjährige, kontinuierliche und besonders sparsame Produktion. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts konnte der Brennvorgang der Glindower Ringöfen zudem gesteuert, kanalisiert und wirtschaftlicher geführt werden als in den offenen Feldöfen.
Für Theodor Fontane, der die Glindower Öfen fasziniert beschrieb, waren Ofen, Ton und Steine eine „höllische Rotglut“. „Während man in Kammer eins eine für 12.000 Steine ausreichende Rotglut unterhielt, wurden die Nachbarsteine in Kammer zwei halb, in Kammer drei ein Drittel fertig gebrannt und in Kammer vier angeschmoocht.“
Zur Zeit Fontanes zeichneten die Glindower Skyline mächtige Schornsteine und 9 Rundöfen, die jährlich 16 Millionen Ziegelsteine für Berlin brannten. Das Rohmaterial Ton kam von den nahen Gruben. Um das Jahr 1900 bestand ein einfaches Mietshaus aus 600.000 Ziegeln, an großen Mietskasernen wurden gar 1,4 Millionen Steine verbaut. Kanäle, Kasernen, Kirchen, Krankenhäuser, Schulen und Brücken kamen aus dem „großen Ziegelofen der Residenz“, Glindow.
Zum Niedergang Glindows trug bei, dass sich die Tonvorkommen erschöpften und sich der Ringofen-Typ in den Zwanziger- und Dreißigerjahren überlebt hatte. Die Konkurrenz der fortschrittlicheren Tunnelöfen bereitete der Glindower Ziegelindustrie in den Vierzigerjahren ein Ende.
Wackermann, der den kleinen Erfolg nach der Wende erlebt hat, glaubt auch jetzt nicht an das endgültige Aus. Es würden Gespräche mit Investoren geführt, die die Produktion „wieder beleben“ sollen. Womit, weiß der Ziegelmann aber nicht.