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hauptstadtDer reitende Bote der Königin

Der Mensch erträgt hoffnungslose Situationen nur schwer. Deshalb hat die Unterhaltungsindustrie den Retter in höchster Not erfunden. Wenn im Western die letzte Kugel verschossen ist, der Planwagen brennt und der Indianer gerade zum Skalpieren ansetzt – dann kommt garantiert die Kavallerie. Bertolt Brecht hat das in seiner Dreigroschenoper ironisiert: In allerletzte Minute wird Mackie Messer vom plötzlich auftauchenden reitenden Boten der Königin vom Galgen geschnitten. Im kollektiven Unterbewusstsein Berlins besetzt die gleiche Rolle die Bundesregierung.

Kommentar von ROBIN ALEXANDER

Die Fantasie, Berlin würde irgendwann vom Bund aus der Finanzkrise erlöst, ist nicht auszurotten. Eberhard Diepgen suggerierte noch eine rettende Kompensation für hauptstadtbedingte Sonderlasten. Gregor Gysi hinterließ in den Niederungen der Landespolitik die fixe Idee, eine Hauptstadtkommission könne sich Gedanken machen, die mehr Geld für Berlin bedeuten würden. Der Mythos Bund rettet Berlin hat sich bis in die niederrheinische Provinz verbreitet: Ein CDU-Bundestagsabgeordneter aus Mönchengladbach forderte amWochenende, Berlin gleich unter Bundesverwaltung zu stellen.

Seien wir realistisch: Berlin ist tatsächlich in höchster Not, aber ihm wird auch schon geholfen: Die Hälfte der Einnahmen der Stadt stammt aus Transferleistungen. Mehr wird niemand freiwillig geben. Und selbst wenn der Senat mit seiner Klage auf Entschuldung Erfolg haben sollte – was nicht sicher ist –, wird dies Berlins Lage nicht bessern. Im Gegenteil: Das Gericht wird Sparzwänge festschreiben. Der reitende Bote der Königin kommt mit einer Botschaft: Packt selbst an!

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