Die Donna lacht sich schlapp

Witze über Männer bergen nicht unbedingt neue Erkenntnisse über Frauen: Die hätten der Uraufführung von Thomas Jonigks Drama über den Pornostar „Donna Davison“ im Deutschen Theater aber gut angestanden

14, 19 oder gar 29 Zentimeter? Wenn Männer sich um diese Größenordnungen streiten und dabei wahlweise herumdrucksen oder -protzen, geht es vermutlich um – na, worum wohl? Um Penislängen natürlich.

Dass es wunderlicherweise tatsächlich noch Exemplare gibt, die ihr ganzes Selbstbewusstsein ans Pimmelmaß hängen, wird nun auch von einem Stück neuester Dramatik bestätigt. Thomas Jonigk hat „Donna Davison“ im Auftrag des Deutschen Theaters geschrieben. Die Heldin ist Pornodarstellerin, die in ihrer Vergangenheit Filme wie „Filling me softly“ oder „Anale Grande“ gedreht hat und sich jetzt erstmals dem seriösen Genre zuwendet.

Sie und Filmpartner Jan verlieben sich, jedoch wird er ob der vergleichsweise wenigen Geschlechtszentimeter und der Filmsexszenen mit dem weit besser bestückten Tom bald rasend eifersüchtig und muss die Dame seines Herzens folgerichtig umbringen. Die Handlung des dabei gedrehten Films ist übrigens ungefähr dieselbe, sodass sich Realität und Fiktion hier nach einer „Spiel im Spiel“-Dramaturgie beständig gegenseitig brechen und bespiegeln.

Deshalb geht es in Jonigks Drama auch um das Verschwimmen der Grenzen zwischen Schauspieler und Rolle – und damit um ein klassisches Theaterthema. Dieses anhand der Pornografie durchzuspielen macht auch durchaus Sinn, wird die Authentizitätsfrage hier doch auf eine Spitze getrieben – schließlich lässt sich eine Erektion nicht einfach nur darstellen. Dass er die Grenze zwischen Realitäts- und Drehbuchebene stets in der Schwebe belässt, ist noch die interessanteste Dimension von Jonigks Text, der daraus aber keine nennenswerte Neuerkenntnis entwickelt.

Hanna Rudolphs Inszenierung in den DT-Kammerspielen nimmt ihn ganz von der ironischen Seite und lässt die versatile Alwara Höfels überdeutlich gegen alle Klischees an- und gleichzeitig ihren Sexappeal ausspielen. Zunächst wird sie im Video auf den eisernen Vorhang projiziert: die Kurven silbereng verpackt, mit langer Blondhaarperücke und rotem Mund, hüft- und busenwiegend. Auf der Drehbühne mit mehrzimmrigem Pornofilm-Set inklusive stapft sie mit klobigen Fellstiefeln zum Bademantel durchs Bild, motzt über ihre dämlichen Dialoge, lacht sich zwischendurch schlapp und äußert definitiv die intelligentesten Überlegungen zum Thema.

Jonigk lässt seine Figuren verschiedene sogenannte liberale Sichtweisen auf die Pornografie annehmen, um sie größtenteils als verklemmt und vorurteilverhaftet zu entlarven. Einzig die Haltung Donnas, die darauf besteht, ihren Job freiwillig, mit Spaß an der Sache und als erfolgreiche Großverdienerin auszuüben, entgeht der Demaskierung. Der Tonfall, in dem Höfel über „Gang Bangs. Cum Shots. Rimming. Sucking. Fucking“ spricht, ist denkbar nüchtern und entledigt die Veranstaltung, die dankenswerterweise auf nackte Haut und explizite Mimesis weitgehend verzichtet, des Schlüpfrigkeitsverdachts.

Diese Donna Resoluta hätte als Einzige das Zeug zu einer interessanten Figur. Die sie umgebenden Männer kommen letztlich nicht über eifersüchtelnde Penislängengrübelei hinaus. Michael Benthiens mimt den „hirnlosen Stecher“ und selbstzufriedenen Pornostar Tom im rosafarbenen Anzug, Sven Walser isst symbolträchtig eine Banane oder hält sich die hochgewachsene Zimmerpflanze vors Geschlecht. Und wenn Thomas Huber als Jan gegen Ende, wenn sich die Stimmen aus dem Off in seinem Kopf zu einer Minderwertigkeitsfantasie zusammenbrauen, die gequälte Mimik echter Verzweiflung an den Tag legt, wirkt das an diesem Abend, an dem Männer lächerlich gemacht werden, fehl am Platze.

Leider ist das alles eben doch kein Drama über eine sexuell befreite Frau, sondern lediglich eine Komödie über maskuline Neurosen, in der die hinlänglich bekannten Männerfantasien zwar weidlich auf die Schippe genommen, über spezifisch weibliche Lust jedoch kaum etwas erzählt wird. So bleibt der Porno auch hier wieder ganz und gar männliche Domäne.

ANNE PETER

Vorstellungen in den Kammerspielen am 7., 12. und 27. Februar