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Archiv-Artikel

Highnoon im Verwöhnhotel

Niedersachsens Minister im Würgegriff des Haushaltsloches: Kabinettsklausur berät über arge Kürzungen im Landesetat. 250 Bedienstete protestieren in der Heide

essel taz ■ Von „Angst vor den Demonstrationen im Herbst“ hatte Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) vor dem alles entscheidenden Tag gesprochen. Und tatsächlich fing gestern im Aller-Leine-Tal nach gut einem Jahr Honeymoon mit den Niedersachsen die erste echte Bewährungsprobe der schwarz-gelben Koalition an.

Blauer Teppich, Spiegel an der Decke, nervöse Stimmung in der Luft, bei einigen Ministern wohl auch ziemlich mulmige Gefühle, falls es mit dem Sparen im eigenen Etat zu dicke kommen sollte. Hier im Saal „Eiche“ des „Verwöhnhotels Heide-Kröpcke“ beriet gestern das CDU-FDP-Kabinett in Klausur über „schmerzhafte Einschnitte“ im Etat für das kommende Jahr, wie Wulff einmal mehr betonte. Erst heute Nachmittag sollen die Ergebnisse bekannt gegeben werden.

Seit April hatte es Gespräche mit den einzelnen Fachbehörden, dann auch mit den Ministern selbst gegeben. Wie genau Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) die Kabinettskollegen aber in den Würgegriff nehmen wollte, um die „schlimmste Finanzkrise seit Bestehen des Landes Niedersachsen“ (Wulff) zu bewältigen, blieb auch gestern ein streng gehütetes Geheimnis.

„Erst mach‘ ich auf Mitleid, und dann stoß‘ ich mit meiner Krücke zu“, hatte der beinverletzt über das Sommerfest der niedersächsichen Landesvertretung humpelnde Innenminister Uwe Schünemann (CDU) noch am Vortag in Berlin gewitzelt. Allerdings hatte auch er auf die Anforderung des Finanzministers, alle freiwilligen Haushaltsposten zu benennen, nur „Kleckerbeträge“ eingereicht. „Es bringt halt nur ein paar tausend Euro, wenn man das Polizeiorchester einspart“, sagte Schünemann.

„Ich bin auf alles eingestellt“, meinte gestern ein gefasster Kultusminister. Bernd Busemann (CDU) steht kurz davor, ein Wahlversprechen zu brechen. 2.500 neue Lehrer hatte die Landesregierung finanzieren wollen. Nun ist im Gespräch, dass für die 2.300 Lehrer, die im nächsten Jahr in Pension gehen, keine neuen mehr eingestellt werden.

Er habe „immer gesagt, dass man in diesen Zeiten keine Ewigkeitsgarantie geben könne“, betonte Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU). Intern hatte er bereits mit Rücktritt gedroht, falls bei den Hochschulen mehr gekürzt werde als im vergangenen Jahr beschlossen. Das ist allerdings so gut wie sicher.

Das Ende der Seefahrtschule in Leer, das der Fachhochschulen in Holzminden und Suderburg und die Angliederung der Uni Hildesheim sind im Gespräch. Zuschüsse für Museen oder Theater sind nicht mehr sicher. Auch Aidshilfen, Frauenhäuser, Drogenberatungen und Jugendhilfen dürften betroffen sein. Die Zuschüsse an die Kommunen sollen kräftig gedrosselt werden, auch so genannte Ko-Finanzierungen durch EU und Bund leiden. Der Verkauf der Beteiligung des Landes an der NordLB könnte 500 Millionen Euro ins Säckel spülen. Oder werden etwa alle Etats um einige Prozente „global“ gekürzt?

Wulff hatte sich geirrt: Nicht erst im Herbst, sondern schon gestern um 18 Uhr rückten die ersten Demonstranten im Hotel im Süden der Lüneburger Heide an. 250 Landesbedienstete protestierten gegen den drohenden Wegfall des Weihnachtsgeldes und die Einführung der 42-Stunden-Woche. Angeblich bewachten mehrere hundert Polizisten die Regenten vor dem Volk. Heute ist eine Studentendemo mit 700 Teilnehmern geplant.

kai schöneberg