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Archiv-Artikel

Nichts für den Briefkopf

Hamburg gewinnt den Ligapokal. Sportlich ist dieser zwar eher unbedeutend und lässt keine Rückschlüsse für die Bundesliga zu, die 1,28 Millionen Siegprämie aber streicht der HSV gerne ein

aus Mainz TOBIAS SCHÄCHTER

Ob das denn jetzt ein richtiger Titel sei, wurde der Sportchef des frisch gebackenen Ligapokal-Siegers Hamburger SV gefragt. Als Antwort atmete Dietmar Beiersdorfer tief ein und zuckte mit den Schultern, so als wolle er sagen: Weiß auch nicht. Doch der Mann mit dem Mikrofon hakte nach. „Kommt er denn auf den Briefkopf?“ – „Nee“, verneinte Beiersdorfer. „Der Titel ist gut für die Reputation, aber auf den Briefkopf kommt er nicht.“ Dann mussten alle erst mal lachen.

Es war ja schließlich auch eine Freude, diese siebte Auflage des Ligapokal-Finales: Sechs Tore, brillante Ballstafetten, Torraumszenen in Hülle und Fülle, rasanter Einsatz, engagiert mitgehende Zuschauer – und am Ende gar zwei außergewöhnliche Unsportlichkeiten. Das 4:2 des Hamburger SV über Borussia Dortmund bot alles, weswegen man Fußball liebt. Insofern war der unterhaltsame Abend im Mainzer Bruchwegstadion vor 16.700 Zuschauern genau die richtige Einstimmung auf die am Wochenende beginnende 41. Bundesligasaison.

Und nach seinen glanzvollen Auftritten im Ligapokal sehen im HSV nun viele gar einen Titelanwärter. Doch Dietmar Beiersdorfer ist einer, der weiß, wie schnell einem Höhenflug der Absturz folgen kann: „Am Samstag beginnt eine andere Zeitrechnung“, konstatierte der ehemalige Vorstopper. Recht hat er: Rollt die Kugel erst mal in der Bundesliga, kräht kein Hahn mehr danach, ob man nun diesen Ligapokal gewonnen hat oder nicht. Andererseits hat der Cupgwinn eines schon gebracht: „Wir starten mit sehr viel Selbstvertrauen“, wie Trainer Kurt Jara feststellte.

Aber auch aus einem anderen Grund herrschte eitel Sonnenschein im Lager der Hamburger. 1,28 Millionen Euro Siegprämie überweist die DFL auf das Konto des Traditionsclubs, bei 14,5 Millionen Euro Miesen nimmt man sich dieser Summe gerne an, zumal noch immer der Namenszug eines Hauptsponsors auf den Trikots fehlt. Die Siegprämien sind bis Dezember gestrichen, der Vorstand geht mit gutem Beispiel voran und verzichtet seinerseits auf 8 Prozent Gehalt. Der Gürtel ist eng geschnallt – und selbst das Zubrot aus dem Ligapokal ist kein Rettungsanker für Beiersdorfer: „Wir müssen unsere Ziele erreichen, um über die Runden zu kommen.“ Soll heißen: Erneut für einen internationalen Wettbewerb qualifizieren und im Uefa-Cup möglichst viele Runden überstehen.

Der Verlierer des Abends, Borussia Dortmund, will sogar in die Champions League. Doch wartet in der Qualifikation mit dem FC Brügge eine schwere Hürde, nur der Sieger zieht in die Königsklasse ein. Dass das am Ende doch noch die Borussia ist, darüber ist man sich in Dortmund so sicher derzeit nicht. Trainer Matthias Sammer jedenfalls ist der Ansicht, trotz der immerhin 894.761 Euro, die der BVB als Zweiter kassiert, die Teilnahme am Ligapokal „teuer bezahlt“ zu haben. Frings und Evanilson fallen mit Kreuzbandrissen lange aus, jetzt droht auch noch Sebastian Kehl ein Tribünenplatz zum Bundesligastart in Schalke. Sein Schubser gegen Schiedsrichter Aust in den Wirren nach einer roten Karte für Otto Addo könnte als Tätlichkeit gegen den Unparteiischen ausgelegt werden. Die Folge wäre eine Sperre – auch für die Bundesliga. Für Sammer „eine Katastrophe“.

Es besteht also Handlungsbedarf beim BVB. Allerdings nicht auf dem Posten des Torwarts, wie Sammer glaubt, obwohl die neue Nummer eins, Roman Weidenfeller, so richtig schlecht war in Mainz. „Es gibt keine Torwartdiskussion“, stärkte der Trainer seinem jungen Ehrgeizling im Kasten den Rücken. 3,7 Millionen Euro spült der Wechsel von Jens Lehmann zu Arsenal London in die Kasse. Nun fragen sich viele, ob der Verkauf nicht auch was zu tun hat mit der Finanzierung eines Hochkaräters für das defensive Mittelfeld. Bisher war Flavio Conceiçao von Real Madrid, Sammers Wunschspieler, der Borussia zu teuer. Auch beim börsennotierten BVB sitzt das Geld nicht mehr so locker.

„Die Ansprüche sind hoch, unsere Mannschaft ist jung“, dämpft Sammer derweil Erwartungen. Mit dem aktuellen Kader, der auf der Bank keine adäquaten Alternativen anbietet, wird es schwer, einen Titel zu holen. Erst recht einen, der den Briefkopf schmücken soll.