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Archiv-Artikel

„Der Kanzler muss Ost-Beauftragter werden“

Nur Gerhard Schröder hätte genug Macht, um den Aufbau Ost voranzutreiben, sagt Finanzwissenschaftler Helmut Seitz

taz: Herr Seitz, Sie sind Mitglied des Gesprächskreises Ost, aber mit dessen Abschlussbericht nicht einverstanden. Warum?

Helmut Seitz: Zunächst hat Herr von Dohnanyi sich zum Sprecher einer Runde aufgeschwungen und mit unkoordinierten Medienalleingängen der Sache geschadet. Dann ist das Papier ein Gummihuhn – dehnbar in allen Richtungen und vielfach unkonkret. Außerdem hat es einen Touch von Sozialismus. Der Staat soll definieren, was ein Wachstumskern ist, und Branchenpolitik nach seinen Vorstellungen durchsetzen. Das Papier ist daher marktfeindlich.

Aber auch Sie haben gefordert, dass der Bund sich mehr einmischt. Berlin solle die Länder bestrafen, wenn sie das Soldidarpaktgeld nicht in Investitionen, sondern in ihre Haushaltslöcher stecken.

Der Bund hat natürlich eine Verantwortung, er gibt im Solidarpakt II bis 2019 schließlich 150 Milliarden an den Osten. Aber der Bund kann nur Anreize schaffen. Eine Staatsbürokratie sollte nicht bestimmen, welche Regionen oder Branchen innovativ und förderungswürdig sind. Dazu ist der Staat einfach nicht kompetent genug. Denken sie an die Desaster Chipfabrik und Lausitzring in Brandenburg. Stattdessen sollte der Bund identifizieren lassen, wo es bereits Wachstumskerne gibt. Und die können dann mitsamt dem Umfeld weiter gefördert werden.

Wer soll die Wachstumskerne kennzeichnen?

So schwer ist das nicht. Es gibt genügend Studien dazu und auch hochrangige Experten. Wir brauchen ohnehin viel mehr intellektuellen Input für die einfallslose Weiter-so-Politik dieser Regierung im Osten.

Der Gesprächskreis sollte diesen Input geben. Viel ist dabei nicht herausgekommen.

Der Kreis war von vornherein als nicht organisierte Runde geplant, die Ideen sammeln sollte. Wir brauchen einen Stab guter Experten im Kanzleramt. Denn das Kanzleramt hat den Überblick für diese Querschnittsaufgabe und vor allem auch die finanziellen Mittel. Experten kosten nämlich Geld, und gute Konzepte für den Aufbau Ost sind nicht zum Aldi-Preis zu haben.

Soll es einen neuen Ost-Verantwortlichen geben? Oder sollte Stolpe weitermachen?

Stolpe ist nicht gerade der Innovativste. Der Kanzler muss Ost-Beauftragter werden. Für die einzelnen Aufgaben mag es andere Zuständige geben, aber nur der Kanzler hat das notwendige politische Gewicht um die drängenden Veränderungen durchzudrücken. INTERVIEW: DANIEL SCHULZ