: Das neue Berliner Lernvergnügen
Der Sparzwang macht es möglich: Zum ersten Mal stimmen die drei großen Berliner Universitäten ihre Fächer aufeinander ab. Die taz präsentiert die Auswirkungen im Detail – für Wissenschaftler und ihren Nachwuchs in alphabetischer Reihenfolge
VON ADRIENNE WOLTERSDORF
Mit einem „Pakt für Kooperation und Autonomie“ sind die drei Universitäten dem sanften Zwang des Wissenschaftssenators Thomas Flierl (PDS) entgegengetreten. Er hatte sie an einem Tisch beordert, um gemeinsam darüber zu entscheiden, wie die dramatische Sparsumme von 75 Millionen Euro gemeinsam erbracht werden könne.
Im Zuge dieser Verhandlungen einigten sich die Unis darauf, in nahezu allen Fächern Stärken und Schwächen zu analysieren und künftig unterschiedliche Profile auszuprägen – bis hin zur Streichung und Verlagerung von Studiengängen. Geklärt wurde auch die Zuordnung von Fächern, die bislang umstritten waren, dies sind Musik- und Asienwissenschaften, Evangelische Theologie und Religionswissenschaften.
Heute stellt die taz das Ergebnis der Sparrunde vor: die Neuordnung der Studienlandschaft bis 2009 in Berlin, eine Auswahl der wichtigsten Umstrukturierungen – nach Fächern geordnet.
Asienwissenschaften
Sie bleiben ein regionaler Schwerpunkt der Freien Universität (FU), hingegen hat die Humboldt-Universität (HU) die Afrikawissenschaften als Alleinstellungsmerkmal beibehalten. Asienwissenschaften an der HU sind ebenfalls regionalwissenschaftlich orientiert, Berufungen sollen erfolgen für Koreanistik und Japanologie. Beide Unis bieten Bachelor-Abschlüsse (BAs) in Ostasienwissenschaften. Insgesamt gibt es an der FU 7, an der HU 8 Professuren.
Biologie
Die Biowissenschaften gelten als Leitwissenschaft des 21. Jahrhunderts, Nutznießer sind medizinische Fächer, Landwirtschaft, Umweltschutz und andere Gebiete. Biologie wird daher insgesamt in der Berliner Forschungslandschaft eine entscheidende Rolle spielen. Die Institute von FU (16 Professuren + 3 Juniorprof.) und HU (18 Professuren + 5 Juniorprof.) arbeiten bereits zusammen und bieten künftig gemeinsame Lehrveranstaltungen an.
Geowissenschaft
Die Geo-Disziplinen verteilen sich auch weiterhin auf alle drei Universitäten und zahlreiche außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Der GeoCampus der Freien Universität bietet als Einziger das gesamte Spektrum der Geowissenschaften an. Die TU hingegen verschärft ihr Profil durch eine methodische Orientierung auf Messtechniken, die HU übernimmt, da die TU die Lehrerausbildung insgesamt komplett einstellt, die Ausbildung der Erdkundelehrenden. FU: 16 Professuren (+ 2 Juniorprof.), HU: 8 Professuren (+ 2 Juniorprof.), TU: noch unklar.
Germanistik
Da Germanistik das beliebteste aller geisteswissenschaftlichen Fächer ist, bieten auch künftig alle drei Unis Germanistik an, FU mit 12 Professuren, HU mit insgesamt 17. Die Germanistik an der TU soll durch die Integration in die Curricula der Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften eine neue Ausrichtung erhalten. Die HU bietet schwerpunktmäßig weiterhin Sprachwissenschaft, die FU Literaturwissenschaft an.
Musikwissenschaft
Langfristig wird sie nur noch an der HU (mit 3 Professuren) vertreten sein. Allerdings gibt es ja auch noch die Kunsthochschulen. Die UdK und die Musikhochschule „Hanns Eisler“ bieten weiter Musikwissenschaft an. Ungelöst ist noch die Organisation der Übergangsphase.
Politologie
Bleibt ein stark vertretenes Fach und das OSI an der FU mit 14 Professuren (+ 1 Juniorprof.) das größte politikwissenschaftliche Institut Deutschlands. Die HU bietet weitere 13 Professuren ( + 3 Juniorprof.). Neben Überschneidungen im Grundstudium soll die Profilbildung weiter verschärft werden. Die FU bietet weiterhin ein breit gefächertes Angebot vom BA bis hin zum Euromasters. An der HU bildet das Fach zusammen mit Soziologie das Institut für Sozialwissenschaften.
Rechtswissenschaften
Die FU verfügt künftig über 18 Professuren für Rechtswissenschaften (+ 2 Juniorprofessuren), die HU über 20 (+ 5 Juniorprofessuren), die TU will künftig 2 Professuren mit eindeutiger Ausrichtung für Recht in Wirtschaft/Management. Die Schwerpunktbereiche an FU (Internationales, Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht etc.) und HU (Europarecht, juristische Zeitgeschichte, Verwaltungswissenschaften, Osteuroparecht und Integrationspolitik etc.) unterscheiden sich deutlich voneinander, sollen sich aber sinnvoll ergänzen.
Religionswissenschaft
Die Evangelische Theologie wird an der FU eingestellt, so dass sie künftig nicht nur als Fakultät, sondern auch als Fach Berlin- und Brandenburg-weit nur noch an der HU angeboten wird. Die behält trotz Sparzwängen ihre Spezialfächer wie Ostkirchenkunde und Missionswissenschaft etc. bei. Insgesamt behält die HU 10 Professuren für Theologie (+ 2 Juniorprof.), die FU 5.
Soziologie
Die Soziologie wird künftig überwiegend an der HU angeboten, die TU richtet ihre Soziologie streng technikorientiert aus. Die FU stellt ihre Grundausbildung in Soziologie ein und bietet nur noch den Masterstudiengang „Globalisierte Gesellschaft“ an. Die HU plant die Modularisierung des Faches als Nebenfach. Fu behält 4 Professuren, die HU 13 und die TU 3.
Wirtschaftswissenschaft
Sie bleibt trotz deutlich reduzierter Professuren an allen drei Universitäten erhalten. Die FU (BWL 9; VWL 9 Professuren + 1 Juniorprof.) pflegt weiterhin ein internationales Wirtschaftsprofil mit intensiver Vernetzung mit den regionalwissenschaftlichen Zentralinstituten Nordamerika, Osteuropa etc. An der HU (gesamt 21 Professuren + 6 Juniorprof.) überwiegen weiterhin die theoretischen und quantitativen Grundlagen in VWL und BWL, es gibt gemeinsame Angebote von HU und FU. Die TU bietet im Bereich Technologiemanagement 5 Professuren, BWL 5 Prof. und VWL 6 Prof. sowie 1 Professur für Gesundheitswissenschaften. Hier liegt der Schwerpunkt beim Anwendungs- und Technikbezug und orientiert sich am Bedarf des Wirtschaftsingenieurwesens.