: Streit über Bestrafung von Freiern
Die Union will Männer bestrafen, die Zwangsprostitution ausnutzen. Die Grünen wollen davon nichts wissen. Doch manche Expertinnen sind durchaus angetan von diesem Ansatz. Sie schlagen Zertifikate für legale Bordelle ohne Frauenhandel vor
AUS BERLIN MAREKE ADEN
Es geht um die verbrecherische Ausbeutung von Kindern und Frauen in Deutschland, und doch wäre die Bundestagsdebatte fast eine sträflich dösige Veranstaltung geworden. Denn eigentlich muss das deutsche Strafrecht nur an die internationalen Vorgaben von UN und EU angepasst werden. Die Regierung hat also recht fantasielos aus einigen komplizierten Vorschriften zum Menschenhandel einige noch kompliziertere Vorschriften gemacht.
Doch im allerletzten Moment faxte auch die CDU/CSU-Fraktion noch ihren Vorschlag durch und brachte Leben in die Diskussion: Die schärfsten Gesetze helfen nichts, wenn der Menschenhandel viel Geld bringt, haben sich die CDU-Abgeordneten Uta Granold und Volker Kauder gedacht, also sollte man bei denen ansetzen, die das viele Geld bezahlen: bei den Freiern.
Sobald die von der Zwangslage einer Prostituierten wissen oder sie „geflissentlich übersehen“, sollen sie selbst vor Gericht. Das würde insbesondere die Freier betreffen, die sich im Grenzgebiet gen Osten über die billigen Preise der Frauen freuen und trotzdem nicht weiter nachfragen.
Die federführende Grünen-Politikerin, Irmingard Schewe-Gerigk, möchte den oppositionellen Vorstoß aber lieber herunterkochen. Allein der berühmt gewordene Freier Michel Friedman sei an dieser neuen Debatte schuld, klagt sie. Ein Mann, dem eine Prostituierte offenbart, dass sie ein Opfer von Menschenhandel sei und der trotzdem mit ihr schläft, mache sich erstens schon nach jetzigem Recht strafbar. Zweitens würde die Bestrafung nach dem CDU/CSU-Entwurf je nach Region sehr unterschiedlich ausfallen. Im Grenzgebiet würde die Polizei viel eher zuschlagen als im Inneren Deutschlands. Und drittens „haben wir die Prostituierten gerade erfolgreich entkriminalisiert, da können wir nicht anfangen, die Freier zu kriminalisieren.“ Denn ab wann, fragt Schewe-Gerigk, müsse ein Freier davon ausgehen, dass die Prostituierte nicht freiwillig arbeitet?
Ein Vorschlag dazu kommt von der Kriminologischen Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts: Freiern könne das entsprechende Wissen oder Leichtfertigkeit unterstellt werden, „wenn es eine offizielle Kennzeichnung von staatlich anerkannten Bordellen gibt“, sagt dessen Mitarbeitern Annette Louise Herz. In dem Fall könnten bei der Razzia eines Bordells ohne diese staatliche Kennzeichnung alle Freier auf der Wache landen, so wie ehedem die Prostituierten.
Irmingard Schewe-Gerigk sagt dagegen, ihr fehle die Fantasie, wie dieser Vorschlag umzusetzen sei: „Soll der Staat etwa ein Zertifikat ausstellen ‚Hier wird nicht mit Frauen gehandelt‘?“, fragt sie. „So würde das ja auch nicht aussehen“, sagt Nivedita Prasad von Ban Ying, einer Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel. Die Gewerbeaufsicht überprüfe ja auch die Papiere von Restaurantmitarbeitern und verhindere damit deren Ausbeutung. In den Niederlanden erteilten die Behörden Lizenzen, wenn Bordelle ihre Mitarbeiter ordentlich behandeln.
Allerdings gibt es auch damit wieder ein Problem. Alle Frauen, die ohne Aufenthaltspapiere der Prostitution in einem fremden Land nachgehen, könnten nicht in lizensierten Bordellen arbeiten und würden in die Grauzone abgeschoben. Das wiederum könnte man nur mit einer Art „Green Card“ für ausländische Prostituierte lösen, wie Österreich sie eingeführt hat. Allerdings hilft das nicht allen Frauen. Viele osteuropäische Prostituierte wissen nicht, dass sie sich legalisieren lassen können oder trauen sich wegen der restriktiven Gesetze in ihren Heimatländern nicht, das zu tun.
„Man muss da noch einmal die Fantasie spielen lassen“, sagt auch Nivedita Prasad von der Organisation Ban Ying zu den vielen neuen Vorschlägen. Bis Oktober wollen sich die Fraktionen einigen. MAREKE ADEN
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