piwik no script img

DER RUSSISCHE ÖLKONZERN YUKOS WIRD ZUR BEUTE DER POLITISCHEN ELITEDas Recht der Mächtigen

Das Schicksal des führenden russischen Ölgiganten Yukos scheint nun endgültig besiegelt. Letzte Woche verdoppelte die Staatsanwaltschaft noch einmal die Steuerschuldforderungen gegenüber dem Konzern, tags drauf besetzten hundert uniformierte Beamte Firmenbüros, beschlagnahmten Computer und Datenbanken. Auch dem ehemaligen Zentralbankchef, Wiktor Geraschtschenko, den der einsitzende frühere Yukos-Hauptaktionär Michail Chodorkowsky zum Krisenmanager bestimmt hatte, gelang es nicht, zu Regierung und Kreml Kontakt herzustellen.

Kein Wunder: Die Liquidierung des Unternehmens war von vornherein beschlossene Sache. Zwei Motive beherrschen dabei das Vorgehen des Kreml. Die politischen Ambitionen des Oligarchen sollten im Keime erstickt und zudem alle potenziellen Anwärter auf eine politische Rolle ein für alle Mal entmutigt werden. Das ist rundum gelungen. Der zweite entscheidende Akt beginnt jetzt: die Aufteilung des Konzernvermögens unter der politischen Elite. Sie ist bei den Privatisierungen der 90er-Jahre leer ausgegangen und empfindet es als legitim, sich nun zu nehmen, was ihr vorenthalten war. Wer die Macht besitzt, ist auch im Recht. Das ist im postsowjetischen Russland die Quintessenz des politischen Denkens.

Nur vordergründig hatte das Vorgehen gegen Yukos etwas mit der Revidierung fragwürdiger Privatisierungsentscheidungen zu tun. Auch geht es nicht um eine Korrektur der Eigentumsverhältnisse, um im Interesses des Staates Schlüsselbereiche der Industrie zu renationalisieren. Dies wäre zwar aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen ein heikles und schwieriges Unterfangen, es ließe sich aber rechtfertigen, wenn das Bemühen um rechtsstaatliche Prinzipien erkennbar wäre und gleiches Recht für alle gälte. Bislang ist dies nicht der Fall.

Präsident Putins Bekenntnis, dem Staat läge nichts am Bankrott des Konzerns, hat viele Russen nicht überzeugt. Wichtiger war für die in Ambivalenz geschulten russischen Ohren der Nachsatz des Chefs, er könne nichts garantieren, da die Justiz eigenen Regeln folge. Die Gewaltenteilung steht in Russland nur auf dem Papier, der Kremlchef ist auch der oberste Richter. Putins Äußerung trieb den Aktienkurs noch einmal in die Höhe und versorgte auch die eigene Klientel mit einem Extraprofit, bevor sie sich das Unternehmen ganz einverleibt. Das Investitionsklima wird durch die Affäre schweren Schaden nehmen, was die Verantwortlichen indes nicht zur Mäßigung anhielt. Patriotismus, ein sprödes Lippenbekenntnis.

KLAUS-HELGE DONATH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen