: berliner szenen Sick in Berlin
Es geht was um
Scheiße sagt nur, wer nicht in ihr steckt. Brodelt es erst einmal im Magen-Darm-Trakt, beschränkt man sich schnell auf neutrale Umschreibungen wie: „Es geht was um.“ Das Unbenannte erscheint nicht, es gibt keine erkennbaren Betroffenen. Früher oder später aber holt einen die Wirklichkeit ein.
„Thinking through food“ – wer immer diesen Slogan in die Welt gesetzt hat, kann dabei nicht an Durchfallkranke auf der Oranienstraße gedacht haben. Das Oregano vorm Heinrichplatz verspricht: Pizza-Wok-Kebap – alles vom Steinofen. Die Vorstellung, dass das wahr sein könnte, verdränge ich besser ganz schnell. Gegenüber schiebt man sich vegetarisch-mexikanische „Kreuzburger“ rein, und Mama Su tischt „Asian Power Food“ auf. Mein Magen beginnt, im Flipfloptakt der Massen zu rumoren; gesund kann das alles nicht sein. Hinterm Heinrichplatz riecht es dann, als befände man sich in einem begehbaren Batura: Die Restaurants Sagar („Linzen auf indische Art“ – danke, ich kotze, äh, koste ein anderes Mal), Amrit und Shanti belegen im Verbund, dass Frittierdunst schwerer ist als Luft. Schön auch, dass man „eating out“ in Berlin wörtlich nimmt: Fast bis zum Görlitzer erstreckt sich so das wohl längste Bierzelttisch-Ensemble außerhalb Bayerns.
Auf den verbleibenden 30 Zentimetern Bürgersteig schießen mir tandoorirote und pakuragelbe Gerüche in die Nase. Also weiter auf die Wiener Straße, doch da lächelt mir der Wirt des Thai Muslim entgegen. Religiös korrekt mag der Laden ja sein, Magenkranken gegenüber ist er es nicht. Und so endet der Ausflug auf einer durchaus gepflegten Restauranttoilette. Hier drinnen ist die Welt in Ordnung. Irgendwo da draußen aber geht angeblich was um. SEBASTIAN FRENZEL