: „Mit der FDJlerin in der Nachtbar“
Klaus Landowsky schwärmt. Über den Sommer 1973, als er mit einer Gruppe der Jungen Union die X. Weltfestspiele der Jugend in Ostberlin besuchte. Und wie er damals schon mit den JU-Flugblättern gleich noch den Anfang vom Ende der DDR einläutete
von SILKE KETTELHAKE
Eine Sommerwoche lang, dann war Schluss mit lustig, Schluss mit den X. Weltfestspielen 1973. Rund 8 Millionen Besucher feierten mit 200 politischen und mehr als 1.000 kulturellen Veranstaltungen die Deutsche Demokratische Republik. 30 Jahre später erinnert man sich an das sozialistisch-bunte Ereignis. War es das „rote Woodstock“? Tatsache ist, dass es nicht nur für viele Ostdeutsche zum Mythos wurde. Auch einige Westler feierten damals im Stadion der Weltjugend ihren großen, schönen Sommer.
Einer von ihnen war Klaus Landowsky. Damals noch umtriebiger Macher der Westberliner Jungen Union. Heute einer der bestgehassten Expolitiker des alten Berlins. Ein Zwangsruheständler, der über die Affäre Bankgesellschaft Journalisten ungern Auskunft gibt. Doch sie gerne empfängt, wenn es um die guten alten Tage geht, als Frontstadtmentalität noch als Tugend eines Berliner Politikers galt.
Der Landowsky vor dreißig Jahren war ein engagierter junger Mann, voller Ideale. Als Vorsitzender der Jungen Union Berlin zog er gen Osten, dorthin, wo die Fackel der Freiheit nicht mehr brannte. Im Gepäck für die heiße Sommerwoche hatte er Flugblätter und gelbe T-Shirts mit dem Aufdruck: JU.
Heute sitzt der Rechtsanwalt in einem Büroturm an der Friedrichstraße und ist immer noch ziemlich stolz auf die damalige Aktion. „Ich glaube, da hat die Stasi FDJlerinnen auf uns angesetzt. Mit einer war ich tanzen in einer Nachtbar. Als der Türsteher die Westkohle sieht, schwupps!, waren wir drin. Das Mädel hat das nicht geglaubt, das war für die dann auch ein Stück Erkenntnis.“ Landowsky lacht zufrieden.
Wie ein Abenteuerroman für Halbwüchsige klingt seine Erzählung vom großen Coup der 17 Jungen Unionisten. Landowsky schwärmt: „Wir wollten austesten, ob die im Grundlagenvertrag zugesprochene Öffnung seitens der DDR, ob eine freie Diskussion möglich ist.“ Die CDU-Führung war strikt dagegen: Was haben Christdemokraten auf einem sozialistischen Jugendfestival verloren? Landowsky: „Strauß war der erste, der uns hinterher ein Glückwunschtelegramm geschickt hat!“
Die Weltfestspiele sind für Landowsky der Anfang vom Ende der DDR – nicht zuletzt ausgelöst durch die Flugblattaktion der JU: „Wir forderten: Menschenrechte verteidigen, Reisefreiheit, eine freie Entwicklung der Kultur.“ Er und seine Kumpels mischten sich in ihren gelben JU-T-Shirts unter die Blauhemden der FDJ. Ständig wurde auf dem Alex die politische Lage diskutiert, „bis zur Heiserkeit“. Immer dabei waren Horch und Guck: „Wir hatten einen ständigen Betreuer von der Staatssicherheit, aber der war ganz nett, der Typ, von dem haben wir uns auch herzlich verabschiedet. Unsere Flugblattaktion war offiziell angekündigt für den Sonntag.“ War das vermeintliche Austesten der Grenzen also nicht vielmehr eine staatlich erlaubte Eskapade, betreut von der Stasi? Schließlich wollte die DDR sich mit diesem Festival international profilieren. Landowsky: „Klar, wir wurden eingekesselt und die Flugblätter wurden uns weggenommen. Aber wir haben keinen Eklat herausgefordert, sondern systematisch in diesen acht Tagen unser Programm gemacht. Es ist uns sehr viel indirektes Wohlwollen entgegengebracht worden: Ein Krankenwagen hielt an und hat uns mitgenommen zum Alex.“
Berlin war sozialistische Front- und Feierstadt. Unliebsame Personen hatten keinen Zutritt, weder von Ost noch von West. Landowsky und seine Mannen planten den Ausbruch: „In unserer Unterkunft wurden wir abgehört.“ Die JU-Burschen sprachen also davon, nach Halle zu fahren, nahmen aber den Zug nach Brandenburg. Landowsky: „In Zivilkleidung sind wir los, haben uns kurz vorher unsere T-Shirts übergezogen. Vor der Kaufhalle standen wir mit unseren Flugblättern. Es dauerte fast zwei Stunden, dann kam die SED-Kreisleitung und hat uns sehr höflich zum Mittagessen eingeladen.“ Die niedliche DDR.
Im Rahmen der Sommeruniversität in der Volksbühne wird Landowsky morgen mit anderen Zeitzeugen über das „Rote Woodstock“ nachdenken. Angedacht für die Diskussion war auch Egon Krenz, damals Sekretär des Zentralrates der FDJ. So wird es nicht kommen, den Veranstaltern, der Bundeszentrale für politische Bildung, schien das schillernde Doppelpack dann wohl doch zu belastet zu sein.
„Die Bewertung von Geschichte ist unterschiedlich in Ost und West“, ist sich Landowsky sicher. „Für uns im Westen ist das skurril. Wie eine Persiflage eben auf das, was wir Leben nennen. Für ehemalige DDR-Bürger ist dagegen ein hoher Wiedererkennungswert wichtig, die Kinder waren noch ordentlich angezogen, zum Geburtstag wurde ein Lied gesungen, ein Stück heile Welt“, räsoniert der Mann. „Ich kann das verstehen, das war ein Teil ihres Lebens, damit muss man sich auseinander setzen.“
Das Klingeln seines Mobiltelefons beendet den Ausflug in die Zeit, als allein die Anwesenheit im Osten schon ein Akt des Aufstandes war. Gott, war der Sommer 73 klasse. „Aber“, ruft Landowsky ins Handy, „das habe ich doch alles schon bezahlt, damals schon in D-Mark!“