zwischen den rillen : Multikulti-HipHop aus Dänemark: Outlandish
Der europäische Traum
Eine Lehrerin mit Kopftuch? Was demnächst vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wird, ist im Musikvideo zu „Aicha“, dem Sommerhit des Jahres, längst Alltag. Dort tritt eine Referendarin mit Kopftuch vors Klassenzimmer, und man fragt sich: Ist sie etwa die vielbesungene „Aicha“, die tugendhafte Königin von Saba?
Der Überraschungserfolg ihres „Aicha“-Raps hat Outlandish an die Spitze der deutschen Charts katapultiert, wo sich der Song schon seit ein paar Wochen auf Platz eins festgesetzt hat. In seinem Videoclip, der gegenwärtig auf allen Musikkanälen rotiert, streift das HipHop-Trio aus Kopenhagen eher unspektakuläre Stationen eines Migrantenalltags in Dänemark. Er zeigt die drei Jungs in obligatorischer Streetwear beim Abhängen in einem arabischen Imbiss, im Stadtpark oder beim Streifzug durch die Straßen, dazwischen Szenen aus einem Waschsalon oder im indischen Kassettenladen. Einmal sieht man ein Kopftuchmädchen, wie es Seifenblasen in die Luft pustet, ein anderes Mal eine Frau – eine palästinensische Flüchtlingsmutter? –, die ihren Sohn betrachtet, der im Kinderzimmer Bilder malt von Panzern und Krieg. Mehr braucht es nicht, um die Vorstadt als multikulturelle, wenngleich brüchige Idylle zu porträtieren.
Einmal taucht im Hintergrund auch ein Poster des algerischen Rai-Stars Khaled auf. Er singt ursprünglich den Song „Aicha“, mit dessen HipHop-Version Outlandish unverhofft der europaweite Durchbruch gelungen ist. Isam Bachiri, Lenny Martinez und Waqas Qadri, so heißen die drei Musiker, stammen aus Broendy Strand, einem Vorort von Kopenhagen, und lernten sich dort beim Fußballspielen kennen, bevor sie eine HipHop-Combo gründeten; ihre Eltern sind einst aus Marokko, Honduras und Pakistan eingewandert. In Dänemark haben Outlandish schon eine richtige Karriere hinter sich: Die erste Single wurde einst von amnesty international unterstützt, das erste Album erschien im Jahre 2000 und wurde dort zum Bestseller.
Dank „Aicha“ machen Outlandish nun, als erste dänische Gruppe seit Dekaden, auch international Schlagzeilen – zumindest in Teenie-Gazetten wie der Bravo. Ihr neues, zweites Album erscheint nun auch in Deutschland, eine Veröffentlichung in den USA steht angeblich unmittelbar bevor.
Zu Recht. Denn „Bread & Barrels“ ist nicht nur ganz auf der Höhe des internationalen HipHop-Standards produziert, sondern wuchert auch diskret mit seinen multikulturellen Pfunden: Es beginnt mit einer Art muslimischen Gospels zum monotonen Flöten-Loop, wartet mit indischem Backgroundgesang („Peelo“) oder spanischen Rap-Passagen („El Moro“) auf und verwebt dezente Samples arabischer Größen wie Oum Khalsoum und Khaled, als wäre es das Natürlichste der Welt. Ist es wohl auch für jemanden, der damit aufgewachsen ist.
Mit der gleichen Selbstverständlichkeit verhandeln Outlandish jene Themen, die man bei einer Migrantenformation wie ihnen erwartet: Das reicht von Erbauungslyrik und minoritärer Selbstbestärkung („If only“) bis zur Kritik an überkommenen Traditionen der Eltern, etwa der arrangierten Ehe („Fatima’s Hand“), und zeigt in seinem strategischen Schwanken zwischen Minderheitenstolz und gesellschaftlichem Vorurteil das Dilemma der zweiten Generation auf.
Die globale HipHop-Kultur vermag da neue Gemeinschaften zu stiften. Dem American Dream erteilen Outlandish im letzten Stück des Albums dennoch eine Absage – der europäische Traum steht ihnen näher.
Neben einer eher protestantisch gefärbten Einwanderer-Ethik („Du kannst es schaffen, wenn du dich nur anstrengst!“), mit der sie sich vom Boobs-and-Babes-Hedonismus ihrer US-Kollegen aus dem HipHop-Mutterland abheben, sind es vor allem die Symbole der postsäkularen Gesellschaft, die bei Outlandish ins Auge fallen: Auf dem CD-Cover baumelt das Kreuz so selbstverständlich um den Hals des katholischen Rappers Lenny Martinez, wie schon das Kopftuch im Videoclip zu „Aicha“ auftaucht. Und die beiden muslimischen Band-Mitglieder sind nicht nur „down with the fastest growing industry in this business“, dem HipHop, sondern auch mit der „fastest growing religion“ im Bunde, dem Islam, wie sie im Booklet betonen. Da sind die Jungs dann wieder näher dran am US-Vorbild als an europäischen Verhältnissen, wo sich solch offensiv zur Schau gestellte Religiosität ungewohnt ausnimmt.
Nur wer bei „Guantanamo“ deswegen gleich einen Song über die unwürdigen Haftbedingungen afghanischer Talibanhäftlinge auf dem gleichnamigen US-Stützpunkt erwartet, der wird enttäuscht: Das Stück beschwört mit eingängigem Latin-HipHop vielmehr das Motiv einer ausgelassenen Blockparty an der kubanischen Ostküste. DANIEL BAX
Outlandish: „Bread & Barrel“ (BMG)