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Archiv-Artikel

Frieden ist keine Worthülse

UNO und USA wollen schnelles Eingreifen in Liberia. Nigeria soll Monrovia sichern, im Herbst sollen Blauhelme anrücken

von DOMINIC JOHNSON

In Monrovia brach Jubel aus, als gestern eine Offizierstruppe aus Nigeria und Ghana eintraf. Die Westafrikaner wollen bis zum Wochenende sondieren, wie genau ein internationaler Militäreinsatz in der belagerten und mit Flüchtlingen überfüllten liberianischen Hauptstadt vonstatten gehen könnte – vier Wochen nachdem Westafrikas Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) am 4. Juli zum ersten Mal einen militärischen Eingreifplan zur Absicherung eines Waffenstillstands in Monrovia skizziert hatte.

Wochenlang lähmten politische Rivalitäten, finanzielle Querelen und das vergebliche Warten auf eine Führungsrolle der USA die Interventionsbereitschaft der Nachbarländer von Liberia, dessen Bürgerkrieg mittlerweile die Mehrheit der 3 Millionen Einwohner in die Flucht getrieben haben soll. Aber nun könnte es ganz schnell gehen. Nachdem ein Beratungstreffen am Montag keine Ergebnisse brachte, forderte UN-Generalsekretär Kofi Annan am Dienstag den Sicherheitsrat auf, Planungen für einen UN-Einsatz einzuleiten. Am Mittwoch legten die USA einen Resolutionsentwurf vor, dessen Einzelheiten sich mit Kofi Annans Dreistufenplan zur Intervention decken.

In einem ersten Schritt sollen möglichst schnell zwei nigerianische Bataillone mit insgesamt 1.500 Mann, die bereits in Nigeria sowie bei der UN-Blauhelmmission in Sierra Leone stehen, in Monrovia landen und, wie Kofi Annan ausführt, „die Lage in Monrovia stabilisieren, während Präsident Taylor geht“. Dieser Militäreinsatz soll nämlich das Waffenstillstandsabkommen umsetzen, das Liberias Kriegsparteien bereits am 17. Juni schlossen. Es sieht unter anderem vor, dass Taylor zugunsten einer neutralen Interimsregierung zurücktritt. Nigeria hat ihm Exil angeboten und baut ihm gerade ein Gästehaus in Calabar, einer Stadt am östlichen Ende des Niger-Flussdeltas nahe der Grenze zu Kamerun – also möglichst weit weg.

Nach Taylors Abgang, so Annans Plan weiter, soll das Gros der westafrikanischen Friedenstruppe in Monrovia „die Einsetzung einer Nachfolgeregierung und die Lieferung humanitärer Hilfe erleichtern“. Ecowas erklärte am Mittwoch, dass Nigeria, Ghana, Mali, Benin, Senegal und Togo insgesamt 3.250 Soldaten dafür zugesagt hätten.

Und Anfang Oktober, so der US-Resolutionsentwurf, wird diese Truppe dann von einer regulären UN-Blauhelmmission mit robustem Eingreifmandat zur Friedenserzwingung abgelöst. Die UN-Soldaten, so Annan, „würden einen Sicherheitsschirm bilden und die Bedingungen für die Abhaltung von Wahlen schaffen“; außerdem sollen sie Regierungsgebäude, Häfen und Flughäfen schützen, Milizen entwaffnen und „Zivilisten angesichts von Gewalt in ihrem unmittelbaren Stationierungsort schützen“.

Das ist ein ambitioniertes Ziel angesichts der Situation Liberias. Taylors Regierungsarmee ist für Entführungen und Plünderungen bekannt, die Rebellen ebenso. Die Hilfsorganisation „Save The Children“ schätzt, dass 70 Prozent der Kämpfer in allen Kriegsparteien zusammen Kinder sind. Die Rebellenbewegung Lurd (Vereinigte Liberianer für Versöhnung und Demokratie) und Model (Bewegung für Demokratie in Liberia) verlangen mehr Macht in der Interimsregierung, als die vorliegenden Pläne ihnen zusprechen, und könnten sich der Eingreiftruppe entgegenstellen. Die USA hoffen, dass die Lurd-Rebellen rings um Monrovia sich friedlich aus der Stadt zurückziehen – aber solange keine US-Truppen direkt in Liberia eingesetzt werden, ist das unwahrscheinlich. In wenigen Tagen sollen US-Kriegsschiffe vor Liberias Küste eintreffen, aber nach derzeitigem Stand werden die Soldaten darauf nicht an Land gehen.

In Ghanas Hauptstadt Accra nahmen gestern westafrikanische Staatschefs Beratungen über die Einzelheiten des geplanten Einsatzes auf. Am Rande der Konferenz war davon die Rede, dass die geplante Truppenstärke bei weitem nicht ausreichend sei – vor allem dann nicht, wenn der Einsatz über Monrovia hinaus ausgedehnt werden sollte, wie es für eine Befriedung Liberias erforderlich wäre.