: Arnold & Roy auf Mission
Der letzte Sonntag wurde durch Störer total versaut. Jimmy Jump und die BerlinerKirchenstörer Andreas Roy und Christian Arnold trieben ihr Unwesen vor laufenden Kameras
VON MARTIN REICHERT
Ruhe ist erste Bürgerpflicht, insbesondere sonntags, und wer dagegen verstößt wird als Störer, Störschwein, Querulant, Diversant (DDR-Sprech) oder blöde Rübe bezeichnet. Jimmy Jump, der sich am Sonntag während des EM-Finales als Ball inszeniert hatte und ins Tor gesprungen war, wird nun in Internet-Foren als „Vogel“ und „Idiot“ tituliert.
Die so genannten Kirchenstörer Andreas Roy (45) und Christian Arnold (29) wurden vom hessen-nassauischen evangelischen Kirchenpräsidenten Peter Steinacker sogar als „Hassprediger im christlichen Gewand“ bezeichnet. Wegen der Störung des am Sonntag vom ZDF live übertragenen Fernsehgottesdienstes im Mainzer Dom wurden die Berliner außerdem zu fünf Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, und zwar im Schnellverfahren.
Noch mal glimpflich davon kam ein herrenloser Koffer, der am gleichen Tag den Kunstgenuss in der MoMA-Ausstellung gestört hatte. Der Besitzer des herrenlosen Gepäckstücks hatte sich gemeldet, allerdings erst, nachdem das Gebäude wegen Bombenalarms geräumt worden war. Trotzdem: Der Sonntag war irgendwie versaut.
Vom Koffer mal abgesehen: Es steckte immer Absicht dahinter. Jimmy Jump war zuletzt beim spanischen Formel-1-Grand-Prix aufgefallen, als er während der Aufwärmrunde mit einem Transparent auf die Fahrbahn gestürmt war, um gegen ein Kulturprojekt in Barcelona zu protestieren. Aufmerksam machen will er hauptsächlich auf sich selbst: Er rennt nie ohne T-Shirt mit der Adresse seiner Website (www.jimmyjump.com) ins On der Kameras und setzt damit einen Link im öffentlichen Raum, der direkt auf ihn verweist.
Auch die Kirchenstörer Arnold und Roy tragen ihre Botschaft gern mittels kameragerechter Oberbekleidung in die Welt: „Tut Buße“ stand in schwarzen Lettern auf weißer Baumwolle, als sie sich im Mai vor Gericht für das Kupieren des Weihnachtsbaums am Berliner Breitscheidplatz verantworten mussten. Die damals verhängten Bewährungsstrafen sind ihnen nun zum Verhängnis geworden, denn mit der Mainzer Aktion haben sie eindeutig gegen die Auflagen verstoßen: Während Kardinal Lehmann live die Eucharistie zelebrierte, waren sie zum Altar gestürmt und hatten das Altartuch mitsamt Kelchen und Leuchtern heruntergerissen, derweil unverständliche Parolen über Megafon skandierend. Überwältigt und abgeführt wurden sie unter anderem von ZDF-Mitarbeitern.
Andreas Roy und sein Hiwi Christian Arnold dringen immer wieder gezielt in die mediale Sphäre ein und unterlaufen dabei jegliche redaktionelle und dramaturgische Autorität: Roy beschimpfte bereits Bundeskanzler Gerhard Schröder während einer Parlamentsrede, von der Zuschauertribüne aus und gut sichtbar für die Kameras im Reichstag. Bei der live aus der Gedächtniskirche übertragenen Beerdigung Hildegard Knefs hatte Andreas Roy den Berliner Regierenden Bürgermeister mit dem Zuruf „Homosexualität ist Sünde“ angegriffen.
Die Aktivisten wettern im Namen Gottes vor allem gegen Homosexualtität, Abtreibung und die Kirchen, deren Obere Roy schon mal als „Oberdealer“ bezeichnet, die „Opium unter das Volk streuen“. In ihren Aktionsformen erinnern sie dabei an den bekannten Politaktivisten Rainer Kunzelmann, allerdings in einer „rechtsquerulantorischen Version“ (Detlef Kuhlbrodt in der taz).
Wie bei den meisten Störern steckt hinter der ständigen Quengelei eine ursprünglich gute Absicht, was Roy und Arnold auch von Seiten der Justiz bislang als mildernder Umstand in Rechnung gestellt worden war: Aus Nächstenliebe wollen Arnold und Roy den Gemeinden den Weg zur richtigen Bibelauslegung weisen und die Menschen zur inneren Umkehr bewegen. Arnold ist arbeitslos, Roy Sozialhilfeempfänger, beide haben ihr Leben dem Kampf um Aufmerksamkeit und verlorene Seelen gewidmet.
Ironie der Geschichte: Andreas Roy tritt mit der Aufforderung „Tut Buße“ an eine Gesellschaft heran, die ihn dereinst selbst zur Buße gezwungen hatte. In den Achtzigerjahren musste Andreas Roy eine fünfeinhalbjährige Haft wegen schweren Raubes absitzen. Im Gefängnis hatte er die Bibel studiert, seitdem nimmt er sie wörtlich und misst Gesellschaft und Kirchen am Wort Gottes.
Den Störern konnte übrigens keinerlei Störung nachgewiesen werden, ein psychiatrisches Gutachten bestätigte den Aktivisten volle Schuldfähigkeit, da keine psychische Erkrankung oder religiöse Wahnvorstellung vorliege. Es handelt sich um ganz normale Störer, Querulanten und blöde Rüben, die es schaffen, ins Fernsehen zu kommen.