■ Warum werden solche Zusammenhänge nicht im großen Stil publik gemacht?
: Zinsströme thematisieren

betr.: „Der Leitzins ist reine Psychologie“, taz vom 29. 7. 03

Helmut Creutz ist der Erste, der fähig ist, mit wenigen Worten fachmännisch und doch sehr verständlich darzulegen, warum wir uns in dieser schlechten wirtschaftlichen Situation befinden. Er zeigt uns, dass die Spur des Verursachers zu unserem Geldsystem führt. Unglaublich! Aber wahr! Wie lange wollen uns die Politiker noch mit so genannten „Reformen“ hinhalten, ruhig stellen oder belästigen? Warum werden solche wichtigen Zusammenhänge, wie sie von Herrn Creutz aufgezeigt werden, nicht von den Medien im großen Stil publik gemacht? Warum werden die Politiker nicht von fachkundigen Gespächspartnern wie Herrn Creutz zur Rede gestellt? […] HANS-PETER MERTENS, Greven

Das Interview mit Helmut Creutz bietet den LeserInnen wenigstens eine kleine Anregung zum Nachdenken. Ich weiß nicht, was daran skandalös sein soll, dass die Banken die Leitzinssenkung der EZB nicht voll weitergeben. Skandalös ist vielmehr, dass vermutlich alle PolitikerInnen, gerade „Grüne“, und auch VerbraucherschützerInnen (und RedakteurInnen) zu unwissend oder zu borniert sind, das fatale Zinssystem zu begreifen, das dazu führt, dass zunehmend mehr Geld dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird. Ergebnis: Konjunkturelle Aktivität sinkt, Kapitalbesitzer werden mit jedem Tag, jeder Stunde reicher (weil angeblich „ihr“ Geld für sie arbeitet, aber Geld kann gar nicht arbeiten!), die anderen Menschen verarmen.

Leider nennt auch Creutz „die Geldgeber der Banken“ nicht beim Namen, die in Deutschland die 380 Milliarden Euro Zinsen per anno kassieren, ohne dass sich jemand darüber aufregt. […]

ANNELIE SCHARFENSTEIN, Montabaur

Richtig ist bei Creutz nur eins: 2001 hatten die Banken Zinserträge von total 382,2 Milliarden Euro (Bundesbank, vorläufige Zahl). Allerdings kamen diese keineswegs von Unternehmen allein, wie behauptet, noch verblieben die bei den Banken, die da irgendetwas „netto“ kassierten. […]

Was sind das überhaupt für „Zinserträge“? Sie existieren nicht etwa netto, sondern müssen zunächst mit Zinsaufwendungen saldiert werden. Die Banken zahlten selbstverständlich auch selbst Zinsen, wonach sich der Zinsüberschuss aller Bankengruppen (Erträge minus Aufwendungen) 2001 mit 79,1 Miiliarden Euro ergab.

Haben die Banken diesen Zinsüberschuss nun wenigstens „netto kassiert“? Keineswegs. Denn gegen den Zinsüberschuss müssen logischerweise die Kosten gerechnet werden. Diese „allgemeinen Verwaltungsaufwendungen“ (Personal- und Sachkosten) der Banken lagen bei 81 Milliarden Euro, lagen also um 1,9 Milliarden Euro über dem Zinsüberschuss, der damit komplett für Löhne, Gehälter, Computer, Schreibtische, Dienstwagen usw. draufging. Daneben hatten die Banken noch einen weiteren Überschuss, nämlich den aus Provisionen (25,3) sowie Nettoergebnisse aus Finanzgeschäften, wie Börsengewinne und einen sonstigen Saldo betrieblicher Erträge und Aufwendungen.

Es wurde nirgends eine Volkswirtschaft „belastet“, wie Herr Creutz fabuliert, nach dieser Logik würde jeder Umsatz, der in einer Volkswirtschaft getätigt wird, diese ebenfalls „belasten“. […]

JOCHEN SEELIG, Altbach

Was bei Herrn Creutz Ausführungen im Dunkel bleibt, ist, warum es überhaupt sinnvoll ist, die Zinsströme zu thematisieren. Denn wenn Zinsen eine natürliche bzw. gottgegebene und dadurch unbeeinflussbare Größe sind, können wir an der Ungerechtigkeit und Krisenhaftigkeit eines „Zinssystems“ auch nichts ändern. Aber dies ist nicht so.

Der Zins resultiert aus dem Geldsystem und dieses kann durchaus in der Weise angepasst werden, dass die Zinsen gegen null tendieren und die Umverteilungen über die Zinsströme zum Erliegen kommen. Schließlich nutzt es nichts, nur über die bestehende Ungerechtigkeit zu lamentieren, sondern es gilt, sinnvolle Alternativen dem jetzigen Wahnsinn der durch die wachsenden Zinsströme explodierenden Schulden – dem notwendigen Äquivalent der Geldvermögen – entgegenzusetzen. Die Grundidee einer solchen Alternative ist verblüffend einfach: Geld wird mit einer Gebühr versehen, damit es auch bei fallenden Zinssätzen einen Anreiz zum Verleihen gibt und so ein Zinssatz von nahe null die Warenzirkulation nicht ins Stocken geraten lässt, was unter heutigen Umständen der Fall ist und somit tendenziell wieder eine Zinserhöhung nach sich zieht.

MATTHIAS KLIMPEL, Frankfurt am Main

Als ich Creutz’ Buch und Margrit Kennedys „Geld ohne Zinsen und Inflation“ gelesen habe, ist mir endlich klar geworden, dass der wahre Konflikt eben nicht zwischen Arbeitgebern und -nehmern ausgetragen wird. Manchmal scheint es fast, als seien die ganzen „Arbeitskämpfe“ nur ein Ablenkungsmanöver, um davon abzulenken, dass ein immer größerer Teil des erarbeiteten Vermögens sofort als Zinszahlung an eine immer reichere Minderheit gezahlt wird. Ist es denn ein Wunder, dass der Staat Pleite geht, wenn über ein Drittel des Haushaltes an Zinsen gezahlt wird? Dass die Armut-/Reichtumsschere immer weiter auseinander geht, wenn nur zehn Prozent der Bevölkerung netto mehr Zinsen erhalten als sie zahlen? JONAS VON POSER, Berlin

Jedes Zinseszinssystem hat eine Lebensdauer von zirka 60 bis 70 Jahren. Am Ende eines solchen Systems steht immer Krieg, Währungsreform, Chaos etc. In Wiesebaden steht eine schöne Schuldenuhr: Pro Sekunde haben wir 2.241 Euro neue Schulden. Wer soll das bezahlen? Grundübel fast aller Ökonomen ist die eindimensionale Betrachtungsweise der Welt. Von mindestens drei Ebenen fehlen da doch glatt zwei.

Nachschlag: Es muss nicht Leitzins heißen, sondern Leidzins.

KLAUS-G. WALTHER, Reinbek

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