: Forderern fehlt Förderung
Schlechte Zeugnisse für die Arbeitsagenturen und vor allem deren Jobcenter: Passgenaue Unterstützung ist selten. Es fehlt an einheitlichen Ausbildungsstandards für die Berufsberater
VON ANSGAR WARNER
Fördern und Fordern ergeben zusammen eine knackige Formel. Genauso wie lebenslanges Lernen. Kein Wunder, dass sich die Arbeitsmarktreformer solche Wortkaskaden auf die Fahnen schrieben. Ihr Versprechen lautete schließlich: Wenn ArbeitnehmerInnen bereit sind, sich ständig fort- und weiterzubilden, dann haben sie auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft gute Chancen.
Dahinter stand natürlich auch eine Drohung. Denn wer nicht bereit ist, sich zu verändern, geht leer aus. Zumindest ein Berufsstand schien damit dauerhaft gesichert zu sein, und zwar die Bildungs- und Berufsberatung. Doch gerade der Dreh- und Angelpunkt im lebenslangen Lernprozess scheint schlecht geölt zu sein. Die Stiftung Warentest zumindest stellt den BeraterInnen in den Arbeitsagenturen regelmäßig schlechte Zeugnisse aus. Wer sich beruflich verändern wollte oder musste, war dort vielerorts schlecht beraten.
Zuletzt Ende 2008 urteilten die Tester: Eine „professionelle und passgenaue Weiterbildungsberatung“ gibt es hierzulande leider viel zu selten. Die „Undercover“-Tester spielten verschiedene Rollen, die direkt aus dem Leben gegriffen waren. Die Berater in den Arbeitsagenturen bekamen zum Beispiel Besuch von einer Sekretärin, die nach der Elternzeit zurück in den Beruf strebte, sie trafen einen Elektriker, der seine Karriere ankurbeln wollte, oder auch eine alleinerziehende Physiotherapeutin, die ihren Arbeitsplatz gefährdet sah. Doch nicht alle kamen so motiviert aus dem Gespräch heraus, wie sie hineingingen. In der Gesamtwertung zeigte sich: Viele BeraterInnen versagen bereits bei der Bestandsaufnahme, die Gesprächsführung ließ zu wünschen übrig, und oft waren die angebotenen Lösungsstrategien unbrauchbar. Die Empfehlung der Warentester: Zur Sicherheit sollte man mindestens zwei verschiedene BeraterInnen ausprobieren, um das Risiko zu minimieren.
Von wegen schöne, neue Arbeitswelt. Noch schlechter dran ist man jedoch als Bezieher von Arbeitslosengeld. Kommt ein solcher „Kunde“ in das Jobcenter, sitzt ihm ein Fallmanager gegenüber, der im Zweifelsfall die Zuwendungen kürzt. Fachleute sprechen in diesem Fall von „Beratung im Sanktionskontext“. Statt freiwilligen Zielvereinbarungen schließt man eine „Eingliederungsvereinbarung“ ab, und die Beratung dient der möglichst schnellen Vermittlung in einen neuen Job. Eine solche Konstellation hält auch Barbara Knickrehm vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsberatung e. V. (dbv) für problematisch. Ihr Verband hat Qualitätsstandards für die Berufsberatung formuliert. „Dazu gehören zum Beispiel der Respekt vor soziokultureller Zugehörigkeit oder das Verbot direkter oder indirekter Indoktrination.“ Ein guter Berater sollte keinen Weg vorgeben, sondern Möglichkeiten aufzeigen: „Es gibt gute Gründe für jede Richtung, die man beruflich gehen kann“, so Knickrehm.
Laut Sozialgesetzbuch steht den ALG-II-Empfänger eigentlich eine vernünftige Beratung zu. Doch die Rahmenbedingungen führen in der Praxis oft dazu, dass auf die Wünsche der Betroffenen kaum Rücksicht genommen werden kann. Dazu kommt, dass die Qualifikation der Berater für die anspruchsvolle Aufgabe oft nicht ausreicht. „Gerade bei Jobcentern, die von den Kommunen getragen werden, rekrutiert man das Personal zum Beispiel durch Umsetzungen aus anderen Bereichen“, stellt Knickrehm fest. Das geht zulasten der fachlichen Qualifizierung. Zu den Qualitätsstandards des dbv gehöre etwa, dass Berufsberater ein Hochschulstudium absolviert haben und über psychologische und sozialwissenschaftliche Kenntnisse verfügen. Vergleichbare Voraussetzungen bringt nicht jeder Verwaltungsangestellte mit, der irgendwann auf dem Sessel des Berufsberaters landet. Im dvb ist man deswegen skeptisch, „ob unter den derzeitigen Bedingungen die Klienten überhaupt angemessen beraten werden können“.
Am besten sieht es noch für die unter 25-Jährigen aus. Doch gerade bei der Beratung älterer Arbeitnehmer mit problematischer Berufsbiografie scheint sich mittlerweile zu rächen, dass es in Deutschland immer noch keine einheitlichen Qualitätsstandards für Berufsberater gibt. Andere seien da schon weiter, so Knickrehm: „In den USA zum Beispiel gibt es das National Board for Certified Counselors, das den Beratern ein Qualitätssiegel verleiht.“ Müssten auch die Berufsberater und Fallmanager in deutschen Amtsstuben sich bei einer ähnlichen Institution ein Prüfsiegel abholen, ließe sich wohl auch eine weitere Scharte auswetzen. Ausgerechnet was die Fort- und Weiterbildung betrifft, haben die BeraterInnen selbst Nachholbedarf.