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Ankunft im Rosenkiez

Support your local artist: Wenn der Potsdamer Platz im Oktober sein fünfjähriges Bestehen begeht, wird auch eine Imagekorrektur gefeiert. Der Bildhauer Sergej Alexander Dott liefert die Rosen dafür

von KATRIN BETTINA MÜLLER

Ausflug nach Eichwalde: Vor einer alten Villa, deren beste Tage schon eine Weile zurückliegen, hält ein Bus, gechartert von DaimlerChrysler, und entlässt eine Horde von Fotografen und Journalisten. Wie die Kinder auf den Jahrmarkt stürzen sie sich in den Garten hinter dem Haus. Denn dort blühen unter Apfel- und Mirabellenbäumen gigantische Rosen mit einem Durchmesser von bis zu 3,40 Meter. Echt und ungelogen. Aus Kunstharz und Glasfaser gegossen, in poppigen Farbkombinationen, rosa und orange, lila und gelb bemalt, liegen sie so dicht zwischen den Büschen, dass man sich selbst bald wie Alice im Wunderland fühlt, nachdem sie klein genug geworden war, um durch ein Kaninchenloch zu fallen. Hier ist eindeutig Staunen und Wundern angesagt.

Entworfen hat die Rosen der Bildhauer Sergej Alexander Dott, der sich, seit er 1999 rote Polyesterkühe senkrecht eine grün gestrichene Brandmauer in der Kollwitzstraße hochschickte, großer Beliebtheit erfreut. In Eichwalde stellt ihn Ute Wüest von Vellberg, Pressesprecherin von DaimlerChrysler, als „unseren Künstler“ vor. Denn mit ihm will die Immobiliengesellschaft, die 1998 auf dem Potsdamer Platz ein Areal von 17 Gebäuden und 10 neuen Straßen eröffnete, ihr Fest zum fünfjährigen Bestehen feiern.

„Der Potsdamer Platz ist ein ganz normaler Kiez geworden“, stellt die Pressesprecherin befriedigt fest. Tatsächlich hat sich die Wahrnehmung des Platzes in den Jahren seines Gebrauchs verändert. Zuerst stand die Kritik an der Stadtplanung, die eines der wichtigsten Scharniere zwischen Ost- und Westberlin privaten Investoren und dem Kommerz überließ, im Mittelpunkt. DaimlerChrysler als Hauptinvestor versuchte den Imageschaden abzuwenden, indem sie vor allem die Internationalität und das Weltstadtniveau ihrer Architektur bewarben. Dazu gehörte die Aufstellung von Skulpturen bekannter Künstler wie Jeff Koons, Keith Haring und Robert Rauschenberg gleichsam noch als ein Entwicklungshilfeprojekt für das provinzielle Berlin.

Doch jetzt haben sich die Töne verändert, und man ist froh, im Berliner Alltag angekommen zu sein. Die Massen, die täglich einkaufswillig am Potsdamer Platz aussteigen und die Einkaufspassagen durchziehen, haben das Spiel gewonnen. Der Kritik an der aus dem Nichts hoch gezogenen, künstlichen Welt des Potsdamer Platzes als fremdes Implantat im Organismus der Stadt nehmen sie den Wind aus den Segeln. Denn dort, wo Ödnis zwischen Häuserschluchten vorausgesagt wurde, herrscht einfach ein wildes Gewusel von vergnügungssüchtigen und kauffreudigen, von auswärtigen und von jungen Leuten, denen mangelndes Geschichtsbewusstsein eines Stadtbildes reichlich egal ist.

Auf Anhieb lässt sich kein größerer Gegensatz denken als zwischen Dotts verträumtem Garten in Eichwalde und dem visuellen Overkill am Potsdamer Platz. Kunst hat es schwer in diesem merkantilen Konkurrenzkampf um Aufmerksamkeit. Selbst die Großskulpturen, die DaimlerChrysler bislang spendiert hat, verlieren sich kleinteilig zwischen der Stadtmöblierung von Bushaltestellen und Cafés. Nach einiger Zeit sieht man die fest installierten Skulpturen einfach nicht mehr.

Das soll mit den Rosen von Sergej Dott, die pünktlich zum 2. Oktober kommen, anders werden: Die Installation von achtzig Blüten und Knospen, die nachts von innen beleuchtet werden, ist geplant, um durch die schiere Masse eine neue Dichte zu erreichen. Zwischen Laternen, auf dem Wasser, von den Dächern – von jedem Punkt des Areals aus, hofft Dott, sind seine Rosen zu sehen. Weil sie nicht für immer aufgebaut, sondern irgendwann versteigert werden sollen, entgehen sie ziemlich sicher dem Schicksal, von der Textur des Platzes einfach irgendwann verschluckt zu werden.

„Keiner hat sich verbogen“, kommentiert Dott die Kooperation. Für ihn bedeutet der Auftrag, der durch den Kurator Christoph Kirst vermittelt wurde, sein Konzept der Poetisierung des öffentlichen Raums und der Verschmelzung der Stadt und ihrer Sehnsucht nach einer Natur, die nur noch als künstliches Zitat erscheinen kann, in großem Maßstab zu realisieren. Seine Skulpturen-Ensembles sind schon lange bevölkert von präparierten Hirschen und Hühnern, von Fischen aus Bronze und lebenden Karpfen in Badewannen, von getrockneten Rosen und in Kunstharz eingegossenen Blüten. Tiere und Pflanzen nutzt er als einfache Chiffren der Nostalgie und der Entfremdung: vertraute Zeugen eines verlorenen Paradieses. Eine eigene Handschrift ist ihm dabei nicht so wichtig wie das Anknüpfen an Signale, die die Schwelle der Kunst unterlaufen.

Die Fische und die Rosen tauchten auf in einem Haus, das er in der ehemaligen russischen Enklave in Karlshorst als Erinnerung an seinen Vater inszenierte; sehr oft verbindet sich im Kanon seiner Requisiten eine persönliche Geschichte mit einem metaphorischen Gebrauch der Dinge. Die Rose, zum Beispiel, interessiert ihn auch durch die widersprüchliche Besetzung ihrer symbolischen Bedeutung, galt sie doch einmal sowohl als Zeichen des Luxus und der Sünde als auch der Frömmigkeit. Allein diese natur- und kulturgeschichtlichen Konnotationen stellen zwar eine Verbindung her zwischen den Rosen am Potsdamer Platz und dem übrigen Werk des Bildhauers, doch sichtbar werden diese Linien kaum. So könnte es den Rosen passieren, schlicht mit den Bären, die zu hunderten die Berliner Geschäftszonen aufhübschen, in einen Topf geworfen zu werden.

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