: Mit Grusel gegen Asylanten
Norwegen ließ russische und ukrainische TV-Teams abschreckende Filme über das Land drehen.Nach den „guten Erfahrungen“ dieser Antiasylkampagne zeigt sich nun auch Dänemark interessiert
aus Oslo REINHARD WOLFF
Die Regierung in Oslo bezahlte im letzten Jahr mehrere ausländische Fernsehgesellschaften dafür, Filme über Norwegen zu drehen. In denen nicht die Schönheiten des Landes und die Gastfreundschaft seiner Bewohner und Bewohnerinnen präsentiert werden sollten – sondern im Gegenteil. Grundlage der Finanzierungszusage war die Abmachung, dass ein regelrechtes Horrorbild das Resultat zu sein hatte, Abschreckung durch Schilderung der Zustände in norwegischen Flüchtlingsunterkünften und die schlechte Behandlung von Asylsuchenden. TV-Teams aus Russland und der Ukraine waren eingeladen worden, und das Resultat ihrer Bemühungen war offenbar mehr als zufriedenstellend.
Den ZuschauerInnen zwischen St. Petersburg und Kiew wurde ein Bild Norwegens präsentiert, welches dem Begriff „westlicher Standard“ eine neue Bedeutung gegeben haben dürfte. Da wurde dokumentiert, über welch heruntergekommene Asylunterkünfte Europas reichstes Land sich kein bisschen schämt. Wie es aussieht, mit 16 anderen Asylsuchenden in einem kleinen Zimmer, das mit Sperrmüll möbliert ist, hausen zu müssen. Welch schlechtes Essen serviert wird, und dass die Wartezeit auf die Ausweisung nicht im Geldverdienen, sondern im stressigen Totschlagen von Zeit besteht. Wie fleißig die Beamten sind und mit welchem schnellen Entscheidungsmechanismus der Behörden daher zu rechnen sei, so dass Asylsuchende aus Russland und der Ukraine sowieso nur eine Fließbandablehnung binnen längstens sechs Wochen zu erwarten hätten. Und nach dieser Zeit auch das begehrte Taschengeld nicht mehr gezahlt würde. Die Botschaft: Wenn ihr schon das Glück im Westen suchen wollt, dann gerne, aber bloß nicht in Norwegen.
Die Gruselfilme scheinen die gewünschte Wirkung nicht verfehlt zu haben. Die Osloer Tageszeitung Aftenposten berichtete gerade über einen markanten Rückgang der als „offensichtlich unbegründet“ abgewiesenen Asylsuchenden von 4.000 auf gerade noch 400. Stellten russische und ukrainische AsylbewerberInnen im letzten Jahr noch jeden fünften Asylantrag, ist dieser Strom mittlerweile fast ganz versiegt. Was Norwegen angeht. Die Nachbarländer Schweden und Finnland verzeichnen stattdessen eine wachsende Anzahl aus diesen Ländern.
„Wir sind überzeugt, dass diese Filme ihren Teil zu dieser Entwicklung beigetragen haben“, freut sich Barbro Bakke von der Einwanderungsabteilung des Osloer Innenministeriums. Grund für die Regierung, das Gruselfilmförderungsprogramm in diesem Jahr auszubauen. Jetzt sollen Fernsehteams aus dem Kosovo und Bosnien-Herzegowina gesponsert werden, um ihren heimatlichen ZuschauerInnen im Herbst ein neues Bild von Norwegen vermitteln zu können.
Es fehlt nicht an norwegischen Stimmen, die diese TV-Abschreckungsaktion als unethisch und beschämend kritisieren. Vor allem, wenn ein Land solche Mittel einsetzt, dessen Finanzminister schlaflose Nächte allenfalls deswegen haben dürfte, weil es gilt, stetig neue Anlagemöglichkeiten für die Flut der Ölgelder zu finden, die der Staat gar nicht alle ausgeben kann.
Moralische Skrupel angesichts solcher Negativpropaganda hat man offensichtlich auch im benachbarten Dänemark nicht. Der Effekt des norwegischen Programmmodells hat hier Lust aufs Nachmachen geweckt. „Wir finden das interessant und haben die Norweger kontaktiert, damit sie uns darüber informieren“, berichtete Anni Fode, Direktorin bei der Ausländerbehörde der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau. Hier meint man vor allem Probleme mit offensichtlich unbegründeten Asylanträgen aus Serbien und Montenegro zu haben.
Doch bevor Kopenhagen TV-Teams aus Belgrad und Podgorica sponsert, sind offenbar doch noch Skrupel zu überwinden. Zumindest seitens der parlamentarischen Opposition. „Es sind ja nicht nur potenzielle Asylbewerber, die dann ein solches Bild von unserem Land vermittelt bekommen“, zögert für die Linksliberalen deren einwanderungspolitische Sprecherin Elsebeth Gerner Nielsen, „sondern auch die ganze übrige Welt bekommt das Bild eines sich abschottenden Dänemarks vorgeführt, das Flüchtlinge schlecht behandelt.“