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Archiv-Artikel

Der toxische Rekordmann

Der Baseball-Profi Alex Rodriguez hat sehr wahrscheinlich gedopt – und niemand hat eine Möglichkeit, ihn zu sperren

NEW YORK taz ■ Ein gutes Jahr lang hat sich der Chef der amerikanischen Baseball-Liga MLB, Bud Selig, jetzt schon entspannt zurücklehnen können. Die Doping-Schlagzeilen, die seinen Sport seit 2003 so heftig gebeutelt hatten, waren 2008 ausgeblieben, die Fans und die Journalisten redeten wieder über Homeruns und Curve-Balls anstatt über HgH, Nandrolon, BalCo und Barry Bonds. Doch jetzt hat die Steroid-Ära, von der Selig so gerne behauptet, der Baseball habe sie mit den lange überfälligen Reformen des vergangenen Jahres hinter sich gelassen, den Commissioner wieder eingeholt.

Alex Rodriguez, der teuerste Mann im Baseball mit seinem 300-Millionen-Dollar-Vertrag bei den New York Yankees, sei 2003 auf das Anabolikum Methenolon positiv getestet worden. Der Test war seinerzeit Teil eines Pilotprogramms, durch den der Baseball ermitteln wollte, ob es überhaupt notwendig ist, seine Spieler systematisch auf Anabolika zu überprüfen. Offizielle Tests wurden dann erst 2004 eingeführt – nachdem bei den Pilottests 104 Spieler auffielen, obwohl die Kontrollen angekündigt wurden. Weil es sich um keine ordentlichen Kontrollen gehandelt hatte, wurde jedoch niemand gesperrt, und die Namen der Überführten blieben unter Verschluss. Doch offenbar haben sich Mitarbeiter des Programms nun dennoch entschlossen, mit ihren Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen.

Für Selig ist die Meldung über Rodriguez ein Albtraum. Gerade erst ist er den Superstar Barry Bonds losgeworden, der sich trotz überwältigender Indizien gegen ihn so lange weigerte abzutreten, bis ihm kein Verein mehr einen Vertrag geben wollte. Mit erstaunlicher Dickhäutigkeit lief er Woche für Woche auf. Selig musste tatenlos zusehen, weil Bonds’ mutmaßliche Vergehen in die Zeit fielen, in der es noch keine Kontrollen gab.

Nach dem Abgang von Bonds und von Roger Clemens, der wie Bonds in die Affäre um die kalifornische Dopingküche BalCo verwickelt ist, wollte Rodriguez das neue Gesicht des Baseball werden. „Er war der Typ, der beweisen sollte, dass saubere Spieler genauso überragend spielen können wie gedopte“, schrieb das Sportportal ESPN am Samstag. Wenn „A-Rod“, wie Rodriguez auch genannt wird, den Homerun-Rekord von Bonds bricht, den er im Auge hat, so meinte man, sei die schlimme Ära des Baseball endgültig vorbei und vergessen.

Noch größer ist die Gram allerdings bei den New York Yankees, denen Rodriguez’ Agent Scott Boras für seinen Kunden 300 Millionen für den Vertrag bis 2018 entlockt hatte. Schließlich blätterten die Yankees für „A-Rod“ – der am Samstag in den Boulevardblätter flugs in „A-Roid“ umgetauft wurde – nicht zuletzt wegen seiner überragenden Leistung in der Saison 2003–2004 so viel Geld hin, genau der Saison, in der er nun nachweislich mit Steroiden hantiert hat. Gerade weil die Yankees so viel für ihn bezahlt haben, werden sie Rodriguez allerdings wohl auch nicht entlassen.

Rodriguez selbst hat sich derweil bislang geweigert, sich zu den Enthüllungen zu äußern. „Ich sage gar nichts“, sagte er, als ihn am Samstag Reporter auf dem Weg ins Fitnessstudio abfingen. Vermutlich wird A-Rod mit dieser Strategie auch durchkommen – ebenso wie vor ihm Bonds, der bis heute leugnet, obwohl er seit einem Jahr wegen Meineids vor Gericht steht. Und anders als Bonds muss Rodriguez ja auch nicht fürchten, bald ohne Vertrag dazustehen und von der gesamten Liga geschnitten zu werden. „Er wird seinen Platz in dem Sondermüllbehälter des Baseball einnehmen“, prophezeite die New York Times – jenem Behälter für Spieler, die toxisch sind und die man nirgends entsorgen kann.

SEBASTIAN MOLL