: „Der Zeitpunkt der Schließung ist richtig“
Zehn Jahre lang probten sie ihr „artist in residence“-Programm, förderten Künstlerinnen aus über 25 Ländern, doch jetzt ist die Leiterin der chronischen Geldnot müde: Der bei Bremen gelegene Künstlerinnenhof „Die Höge“ wird zum Herbst geschlossen
„Die Höge“ macht zu: Der Künstlerinnenhof bei Bremen hat eine weltweit einzigartige Konzeption, ein „artist in residence“-Programm, modernste technische Ausstattung – aber kein Geld mehr. Fast zehn Jahre hat er sich mit privatem Einsatz, ABM-Stellen und Projektförderungen am Leben erhalten. „Ich bin nicht mehr traurig“, sagt die Leiterin der Höge, Barbara Reinhart. „Es war ein beglückendes Projekt“.
„Die Höge“, der Künstlerinnenhof im Süden von Bremen, in Högenhausen bei Bassum, war seit seiner Gründung 1995 in aller Munde. Es gibt kaum einen Kulturinteressierten, der die Höge mit ihren immer anderen, immer einfallsreicheren innovativen Projekten nicht kennt. Doch Barbara Reinhart will den Hof nun verkaufen: „Es wurde immer schwerer, die reinen Basiskosten zusammenzukriegen, von den Projekten einmal ganz abgesehen.“ Eine tragfähige Förderung sei nicht gelungen, „auch das Land Niedersachsen konnte sich nicht zu einem Haushaltstitel durchringen“.
Diese Nachricht ist für viele eine Hiobsbotschaft – die Höge war in ihrer Konzeption weltweit einzigartig. Als die Grundschullehrerin und Tanzpädagogin Barbara Reinhart Geld erbte, kaufte sie den verlassenen Bauernhof und baute die Künstlerinnenförderung auf: Zunächst gab es im Sommer interdisziplinäre Projekte von jeweils sechs Künstlerinnen aller Sparten. Unvergesslich sind die in geheimnisvolle Töne und Licht getauchten Räume des ganzen Geländes: in der 300 Quadratmeter großen Scheune, im Bienenstock, im Bauwagen, in der Nähe der staunenden Kühe.
Vor vier Jahren entstand auf der Basis eines Stiftungskapitals das Programm „artist in residence“. Fortan wurden Stipendien in fünf Appartements zwischen zwei und acht Monaten vergeben. Den Arbeitsaufenthalt haben 50 Frauen aus 25 Ländern genossen. „Es gibt ein vor und nach der Höge“, schildert eine Komponistin die Intensität des Aufenthaltes. Und Younghi Pagh-Paan, Komponistin aus Korea und Jurymitglied für die Stipendien, betont: „Die Höge ist ein einzigartiges Modell für die Förderung der Kunst von Frauen.“ Die Schauspielerin Maren Kroymann meint: „Dort ist im Dialog mit anderen Künstlerinnen ein konzentriertes prozesshaftes Arbeiten möglich. Anders als im gewohnten künstlerischen Alltag, in dem man hoffnungslos vereinsamen kann.“ Aber: „Ein Kapital von 450.000 Euro wirft nur knapp 20.000 pro Jahr ab, das kann man vergessen angesichts unseres Anspruchs“, sagt Geschäftsführerin Jutta Wolters.
Für das Gesamtprogramm der Höge wurden bisher rund 400.000 Euro pro Jahr zusammengebracht – unter immer größeren Mühen. Dramatisch hat sich für die Höge die Konzeptionsänderung beim Arbeitsamt ausgewirkt: Es gibt die ABM-Stellen nicht mehr, von denen die Höge enorm profitiert hatte. Die Studienaufenthalte wurden unterstützt von professioneller Ausstattung: Studios mit Klavieren, Computersysteme, Schnittstellen für Video, ein Konzertsaal mit Flügel, jedes Jahr kam mehr dazu. Und 2001 und 2003 gelangen sogar die dreitägigen „Internationalen Komponistinnentage“, auf denen die Stipendiatinnen ihre Stücke vorstellen konnten.
Doch Barbara Reinhart, die durch das Management ihre eigenen künstlerischen Ideen jahrelang zurückstellte, ist nicht verbittert: „Der Zeitpunkt der Schließung ist richtig. Ich bin mit 50 jung genug, um noch einmal etwas anderes anzufangen.“ Man kann sicher sein, dass Barbara Reinhart eines Tages wieder da sein wird. „Die Höge ist kein gescheiterter Traum“, sagt sie. „Zehn Jahre Höge ist ein Traum, und er wurde Wirklichkeit.“ Der letzte Akt dieser Wirklichkeit ist das Abschlussspektakel am 23. Oktober. Ute Schalz-Laurenze