: Den Haag: Die Mauer muss weg
Internationaler Gerichtshof in Den Haag urteilt: Israels Sperranlage im Westjordanland ist völkerrechtswidrig. Jerusalem nennt das Gutachten absurd. Die Mauer soll weitergebaut werden
DEN HAAG epd/dpa/taz ■ Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat die israelische Sperranlage im Westjordanland gestern für völkerrechtswidrig erklärt. Israel „baut als Besatzungsmacht im besetzten Palästinensergebiet eine Mauer“, dies verstoße gegen „internationales Recht“, heißt es in dem Urteil, das der chinesische Präsident des Gerichts, Richter Shi Jiuyong, auf Englisch vortrug. Das Gericht rief Weltsicherheitsrat und UN-Vollversammlung zur Beendigung dieser „illegalen Situation“ auf. Die Palästinenser begrüßten das Urteil. Israel wies das Gutachten als „absurd“ zurück. Der Bau der Anlage werde fortgesetzt.
Israel sei verpflichtet, die Sperranlage zum Westjordanland und im Gebiet um Ostjerusalem abzureißen und die betroffene Bevölkerung zu entschädigen, heißt es in dem Urteil. Das Gericht betont zwar, dass Israel das Recht habe, seine Bevölkerung vor Terroranschlägen zu schützen. Allerdings müsse dies im Einklang mit dem internationalen Recht geschehen. Das Rechtsgutachten wurde mit vierzehn zu einer Stimme verabschiedet. Als Einziger hatte der US-amerikanische Richter Thomas Buergenthal der Beurteilung nicht zugestimmt.
Gutachten des Internationalen Gerichtshofs sind nicht bindend. Die UN-Generalversammlung hatte dem Gerichtshof im vergangenen Dezember den Auftrag erteilt, eine Expertise über juristische Konsequenzen der Sperranlage vorzulegen. Israel hatte bereits im Vorfeld erklärt, dass es die Zuständigkeit des Gerichts nicht anerkenne.
Ein Berater des Präsidenten Jassir Arafat sprach von einem „Sieg für das internationale Recht“. Für die israelische Regierung sei es „ein Schlag ins Gesicht“, erklärte Nabil Abu Rudeineh in Ramallah. Das Gutachten werde „Israel weiter isolieren“.
Der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kurei sagte in seinem Büro in Abu Dis: „Dies zeigt den Israelis, den Amerikanern und der ganzen Welt, dass die Mauer illegal ist, weil sie auf besetztem Land gebaut wurde.“
Der israelische Justizminister Josef Lapid machte gestern im Armeesender aber unmissverständlich deutlich, dass Israel den Richterspruch „nicht achten“ werde. Die USA kritisierten das Gutachten als „unangemessen“. „Wir denken nicht, dass es angemessen ist, dass dieser Fall von dieser Instanz untersucht wird“, so der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan. WG
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